„Alle wieder mehr machen lassen!“
Jeannine Budelmann, Vice President Strategic Projects bei HANZA, hat mit uns über die Stimmung bei deutschen Unternehmen nach der US-Wahl, die digitalen Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft und ihren Wunsch an die künftige Bundesregierung gesprochen.
Frau Budelmann, am 20. Januar 2025 zieht Donald Trump erneut als Präsident ins Weiße Haus ein. Für Deutschland wird das aller Voraussicht nach massive wirtschaftliche Konsequenzen haben, schließlich hat Deutschland in 2023 Waren im Wert von fast 158 Milliarden Euro nach Amerika exportiert. Wie ist die Stimmung bei deutschen Unternehmen?
Ich würde sagen, gespalten. Ich kenne wenige Unternehmer:innen, die mit der Person Donald Trump sympathisieren. Aber wie immer gibt es natürlich einzelne Unternehmen, die von etwaigen Gesetzesvorhaben der neuen Regierung profitieren könnten. Es eint aber die meisten die Sorge, dass weitere Handelshemmnisse schlechte Auswirkungen auf die ohnehin schon schwer angeschlagene deutsche Wirtschaft und damit auf sie selbst haben könnten.
Trump hat schon jetzt davon gesprochen, dass er höhere Steuern auf Produkte aus Deutschland und der EU einführen will. Er droht mit Importzöllen von bis zu 20 Prozent. Müssen sich deutsche Unternehmen Sorgen um ihr Exportgeschäft machen?
Deutsche Unternehmen müssten sich eigentlich schon viel länger Sorgen machen. Warum sich so wenige in den letzten Jahren notwendigen Veränderungen unterzogen haben, erschließt sich mir nicht. Mir scheint, dass Corona-Hilfen und niedrige Zinsen die Unternehmen in einen Dornröschenschlaf haben fallen lassen. Es ist höchste Zeit, aufzuwachen! Ich gehe davon aus, dass in dieser fragilen Situation höhere Zölle und andere Handelshemmnisse der Todesstoß für so manches deutsche Industrieunternehmen werden. Das gilt übrigens für Zölle weltweit: Alles, was globalen Handel hemmt, ist schlecht für Deutschland!
Wenn man in Deutschland auf die Zahl der Patentanmeldungen blickt, entfällt die Masse der Anmeldungen auf etablierte Industriebranchen wie Auto, Chemie und Maschinenbau. In der digitalen Welt liegen die USA klar vorne. Woran liegt das in Ihren Augen?
Das ist nunmal unsere Tradition. Wir sind lange verhältnismäßig stark im Maschinenbau gewesen. Klar, dass wir dort auch weiter innovativ sind. Die USA haben ihre Stärken im Digitalen. Ich finde nicht, dass sich das eine oder andere Land radikal verändern sollte. Niemand muss alles können. Da erinnere ich mich immer wieder gerne an das Konzept des komparativen Vorteils aus den VWL-Grundlagenvorlesungen. Wir sollten viel stärker kooperieren, um unsere Stärken besser auszuspielen.
Ist die deutsche Wirtschaft in den neuen Technologien und im digitalen Bereich überhaupt wettbewerbsfähig?
In Teilbereichen sicherlich. Klar entstehen hier keine vollständig digitalen Geschäftsmodelle. Aus meiner Sicht ist darum aber auch ein zu großer Hype gemacht worden: Ohne die reale Welt mit ihren Menschen, aber eben auch Maschinen und Geräten ist alle Digitalisierung nichts. Aus der Kombination dieser zwei Welten entsteht spannendes. Und hier kann Deutschland einiges bieten. Allerdings nur im Entwicklungsbereich. Signifikantes Fertigungsvolumen ist bei unserem demographischen Wandel und dem Lohnkostenniveau nicht mehr machbar.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für deutsche Firmen im Bereich neuer Technologien?
Ich glaube, es sind zwei Faktoren, die leider auch noch zusammenhängen: Wir haben zu wenig junge Fachkräfte. Und dann ist die deutsche Industrie geprägt durch viele Unternehmen mit patriarchalen Strukturen. Dort wollen jüngere Menschen aber häufig nicht mehr arbeiten. Mit dem Wegfall der Boomer-Generation steht in der deutschen Wirtschaft deshalb eine radikale Veränderung der Unternehmenskulturen ins Haus.
Welche Hilfestellung wünschen sich deutsche Unternehmen von der kommenden Bundesregierung für diese Aufgaben?
Wenn ich mit anderen Menschen spreche, die unternehmerische Verantwortung tragen, dann ist die einhellige Meinung inzwischen: Wir wollen gar nichts von der Regierung. Aber lasst uns bitte in Ruhe arbeiten! Das sehe ich genauso. Wir brauchen kein mehr an Subventionen oder sonstiger Unterstützung. Wir brauchen weniger: weniger Bürokratie, weniger Subventionen, weniger Steuern und Sozialabgaben, weniger neue Gesetzesvorhaben, die immer nur das Beste für die Unternehmen wollen. Was das Beste fürs Unternehmen ist, wissen die in der Regel besser als die Politik. Deshalb mein großer Appell: Alle wieder mehr machen lassen!
Jeannine Budelmann ist Vice President Strategic Projects bei HANZA, einem globalen, wissensbasierten Fertigungsunternehmen mit deutschem Standort in Münster, und Mitglied der Atlantik-Brücke.