„Bei der KI-Entwicklung richtige Anreize für Investoren setzen“
Im Atlantik-Brücke-Kurzinterview im Anschluss an das Frankfurt Luncheon im November 2023 spricht Armand Zorn, SPD-Abgeordneter im Deutschen Bundestag und Experte in digitaler Transformation, über KI-Regulierung und notwendige Rahmenbedingungen für europäische Tech-Unternehmen.
Während die großen Tech-Unternehmen, die auf dem Gebiet Künstlicher Intelligenz (KI) federführend sind, aus den USA stammen und chinesische Anbieter auf dem Vormarsch sind, droht Europa in diesem zukunftsweisenden Bereich den Anschluss zu verlieren. Welche Rahmenbedingungen müssten geschaffen werden, damit europäische Wettbewerber/Anbieter zu amerikanischen Tech-Giganten aufschließen können?
Wir haben in Deutschland und in der Europa sehr gute Grundlagen für die Entwicklung von KI. Deutschland ist einer der stärksten Forschungsstandorte weltweit und wir beheimaten viele KI-Talente. Aber wir müssen noch besser werden bei dem Transfer von der Forschung in die Anwendung. Viele vielversprechende Innovationen bleiben an den Universitäten stecken und werden nicht kommerzialisiert. Das sind vertane Chancen. Ein weiteres Problem ist die Finanzierung von Startups. Gerade bei den großen Finanzierungsrunden, die besonders wichtig für die Skalierung von Innovationen sind, hängt Deutschland im internationalen Vergleich noch zurück. Daher müssen wir hier die richtigen Anreize für Investoren setzen und auch staatliches Kapital zielgerichtet einsetzen. Das Heidelberger KI-Startup Aleph Alpha zeigt, dass KI Made in Germany möglich ist und solche Beispiele stimmen mich optimistisch.
Die Arbeitswelt verändert sich seit jeher aufgrund technologischer Entwicklungen, so dass einerseits neue Berufe entstehen, während manche traditionelle Berufe immer seltener nachgefragt werden. Welche Berufe könnten Ihrer Einschätzung nach durch die KI verschwinden und ist das ein Grund zur Sorge? Und welche Jobs entstehen durch die KI und ist der deutsche Arbeitsmarkt darauf vorbereitet?
Es stimmt, dass KI den Arbeitsmarkt grundlegend verändert. Aber KI übernimmt nur in den seltensten Fällen ganze Jobs, sondern eher einzelne Tätigkeiten und Skills. Das gilt auch für generative KI. Ja, diese Systeme sind in der Lage komplexere Aufgaben zu lösen und ihr Einsatz wirkt sich stärker auf die Wissensarbeit aus. Im Gegensatz zu vorherigen KI-Modellen, die eher Blue-Collar-Jobs durch zum Beispiel Automatisierung entlastet haben, verändern generative KI-Modelle daher auch die Arbeit von White-Collar-Arbeitnehmer:innen.
Allerdings werden weiter auch menschliche Fähigkeiten benötigt. Beispielsweise kann ChatGPT Journalist:innen bei dem Schreiben der Texte unterstützen. Allerdings ist es nicht in der Lage die nötigen Informationen zu recherchieren und die Texte einem Fact-Checking zu unterziehen. Auch fehlt generativer KI die Fähigkeit zu wahrer Kreativität für z.B. eine spannende Einleitung eines Artikels. Beispiele wie diese zeigen, dass die Tätigkeiten, die KI-Systeme und Beschäftigte jeweils übernehmen, in vielen Fällen komplementär sind. Es ist Aufgabe der Politik hier Sorgen zu nehmen und die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Künstliche Intelligenz verändert die Arbeitswelt in einem nie da gewesen Tempo, so dass die KI-Regulierung nicht in gleichem Maße Schritt halten kann. Wie schätzen Sie die Möglichkeit einer gemeinsamen transatlantischen KI-Regulierung und damit das Setzen globaler Standards ein?
Die Aussage, dass die KI-Regulierung nicht mithalten kann, würde ich so nicht unterschreiben. Die EU-Kommission hat den AI Act im April 2021 vorgeschlagen und damit sehr vorausschauend gehandelt. In 2021 haben noch Stimmen überwogen, die meinten, dass wir keine Regulierung für Künstliche Intelligenz brauchen. Mit den Entwicklungen rund um ChatGPT und andere generativen KI-Systeme sagt das niemand mehr.
Foto: Amelie Roese