Gesellschaft

Positive Geschäfte dank vielfältiger Mitarbeiter

Tech-Unternehmen wie Pinterest streben eine diversere Belegschaft an. Candice Morgan, Head of Inclusion der Social Media Plattform, erläuterte die Gründe für diese Strategie. Ihre zentrale Erkenntnis: Eine größere Vielfalt der Angestellten bringt den Firmen wirtschaftlichen Erfolg.

„Mit deiner Geschichte wirst du es nicht in diese Schule schaffen.“ Dieser Satz einer Lehrerin der Stuyvesant High School in Lower Manhattan löste in der jungen Candice Morgan die Motivation aus, erst recht an ihrer Wunschschule angenommen zu werden. Die Zugangsbarrieren zu Bildung waren in den 1990er Jahren insbesondere für schwarze Kinder aus der New Yorker Bronx, dem ärmsten Schulbezirk der Stadt, hoch. Es ist nicht überraschend, dass Morgan als erwachsene und erfolgreiche Geschäftsfrau 2014 in einem für die amerikanische Wirtschaftswelt faszinierenden Prozess voll involviert war. In jenem Jahr begannen große US-Unternehmen der Tech-Branche, Daten über die Zusammensetzung ihrer Belegschaften zu veröffentlichen. Damit setzten sie eine Entwicklung in Gang, die den Wert von diversen Arbeitnehmern für ein ganzes Spektrum an Wirtschaftssektoren ins gesellschaftliche Bewusstsein rückt. Die Social Media Plattform Pinterest gehört zu diesen an Vielfalt interessierten Unternehmen. Morgan, Head of Inclusion and Diversity bei Pinterest, diskutierte mit Mitgliedern und Young Leaders der Atlantik-Brücke über diesen Trend am Beispiel des in Palo Alto beheimateten Unternehmens.

Morgan ist nach eigenem Bekunden seit ihrer Kindheit „von den Unterschieden der Menschen fasziniert“, wie sie den Gästen des Fireside Chat in den Räumen des Berliner Start-Ups Clue sagte. Bei Pinterest hat sie reichlich Gelegenheit, die gesellschaftliche Vielfältigkeit nicht nur im eigenen Haus zu untersuchen. Denn theoretisch könnte sie mit etwa 200 Millionen Menschen in Kontakt treten – so viele monatliche Nutzer tummeln sich auf den Seiten der Kalifornier. Dort können die User seit 2010 auf eine visuelle Entdeckungsreise gehen, wie Morgan es nennt. Sie bebildern ihre Freizeit-Interessen, bekommen dazu Feedback von Gleichgesinnten des Netzwerks und reichern ihr optisches Portfolio um neue Fotos an. „Die ersten Nutzer waren hauptsächlich Frauen. Sie interessierten sich für Schönheit, Mode, Inneneinrichtung und gutes Essen“, sagte Morgan. Heute soll die Palette an Hobbys keine Grenzen kennen: Die Leute sollten all das finden, was sie lieben. Dies sei Pinterests Anspruch an die Kunden und gleichzeitig der erste Ansatz, Diversität im wahrsten Sinne des Wortes abzubilden.

Sozial-ethische Motive und gute Geschäftsszenarien

Diversität bezieht sich nicht nur auf die beiden Kern-Kriterien Geschlecht und Alter, sondern auch auf die Ethnie einer Person. Insbesondere in den Vereinigten Staaten haben wachsende Teile der Bevölkerung und somit auch von Belegschaften beispielsweise einen afroamerikanischen, einen hispanischen oder einen asiatischen Hintergrund. Die beteiligten amerikanischen Unternehmen rechtfertigten ihre Bestrebungen zu größerer Diversität nicht nur mit sozial-ethischen Motiven, erklärte Morgan: „Die Legitimation liegt vor allem in Studien, die positive Geschäftsszenarien untermauern. Manchmal verfängt aber auch der Verweis auf sozial-ethische Gründe – je nachdem, wer vor einem sitzt.“

Morgans eigene Recherchen zum US-Markt förderten bemerkenswerte Ergebnisse zutage. Unternehmen mit Frauen an der Spitze weisen demzufolge eine um 15 Prozent bessere Leistung bezogen auf wirtschaftliche Kennzahlen auf als Firmen ohne weibliche Führungskräfte. Und Unternehmen mit einer ethnisch diversen Führungsetage erzielen gar eine um 35 Prozent bessere Leistung als vergleichbare Betriebe ohne diese Charakteristik. Wie lassen sich diese Befunde erklären? „In diversen Belegschaften strengt sich jeder Mitarbeiter mehr an, anders zu denken und anders zu handeln als in homogeneren Teams“, sagte Morgan. Die Angestellten arbeiteten präziser und härter, auch um die Kollegen und Vorgesetzten von der eigenen Arbeit zu überzeugen. Sie lösten Probleme besser und smarter.

Pinterests Ziele decken sich mit vorhandenen Talenten

Um zu vielfältig besetzten Unternehmen zu gelangen, sind hohe Hürden zu überwinden. Zum einen haben geschlechterspezifische und kulturelle Vorurteile eine verzerrende Auswirkung auf Gehälter, Aufgaben, Beförderungen und Führungsstile. Zum anderen sind Rollenbilder meist sehr verengt und verhindern die Integration und den Aufstieg unterrepräsentierter Gruppen in den Arbeitsmarkt. Darüber hinaus mangelt es diesen Gruppen in der Regel an Zugang zu Insider-Netzwerken.

Für die unterrepräsentierten Gruppen seiner 1.300 Mitarbeiter setzte sich Pinterest öffentlich Ziele. Derzeit sind zum Beispiel 23 Prozent der Software-Ingenieure der Social Media Plattform Frauen – mehr als der Branchendurchschnitt, aber weniger als das interne Ziel von 30 Prozent. Pinterests Zielsetzungen basieren auf aktuellen sozioökonomischen Statistiken. „Wir betrachten die tatsächlich vorhandenen Potenziale und Talente der Gesellschaft sehr genau“, betonte Morgan.

Inzwischen hat Pinterest ein eigenes Förderprogramm für Programmierer aufgesetzt und seine Ausschreibungen für Stellen auf neutrale Formulierungen in Bezug auf die Diversität umgestellt. Zu jedem Job-Interview lädt Pinterest zu jedem Kandidaten einen weiteren Bewerber, der eine benachteiligte Gruppe repräsentiert. Dies sei nicht als starre Quotenlösung zu verstehen, aber erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass auch Kandidaten ohne klassische Bildungsbiografien eine Chance erhalten. „Wir bilden unsere Manager zudem darin aus, inklusiv zu arbeiten. Das bedeutet, unterschiedliche Meinungen nicht nur zuzulassen, sondern sie zu nutzen“, sagte Morgan. Dies schaffe gegenseitiges Vertrauen und eine starke Identifikation mit dem Arbeitgeber. Diese Einstellung zahlt sich für Pinterest aus. Das Unternehmen zieht Morgan zufolge so viele vielfältige Bewerber an wie noch nie in der jungen Firmengeschichte.

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