„Shutdown war taktischer Fehltritt des Präsidenten“
Jamie Fly hat Mitgliedern und Young Leaders der Atlantik-Brücke von den neuen politischen Machtverhältnissen in Washington berichtet. Bei einer Dinner-Diskussion in Berlin beleuchtete der Senior Fellow des Think Tanks GMF die innen- und außenpolitischen Implikationen der Midterm Elections und des teilweisen Regierungsstillstands.
Von Robin Fehrenbach
Jamie Fly war scharfe Kritik gewohnt, sobald er in Berlin landete. So erging es ihm in den Jahren von 2003 an, als er für die Regierung von Präsident George W. Bush arbeitete und sich harten Fragen zum Irak-Krieg stellte. Zehn Jahre später – nun in Diensten von Präsident Barack Obama – erlebte er den Ärger der deutschen Partner wegen der NSA-Affäre. Heute ist die Situation für Fly eine gänzlich andere, wie der Senior Fellow des GMF und Young Leader Alumnus der Atlantik-Brücke bei einer Dinner-Diskussion in Berlin berichtete. Seit zwei Jahren bitten seine Gesprächspartner ihn vor allem, die Politik von Präsident Trump zu erklären. Der einstige Unmut ist in Ratlosigkeit umgeschlagen.
Fly, der auch als außen- und sicherheitspolitischer Berater für den republikanischen Senator Marco Rubio fungiert hat, setzte in seiner innenpolitischen Analyse zunächst bei den zurückliegenden Kongresswahlen an. „Nach den Midterms sah es so aus, als würde Trump relativ unbeschadet daraus hervorgehen. Zwar wurde die Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren, doch die Republikaner freuten sich über den Zuwachs im Senat.“ Jedoch habe danach der längste Shutdown in der Geschichte der USA einiges an Vertrauen zerrüttet. Die ökonomischen Auswirkungen würden gewaltig sein. „Der Shutdown war ein taktischer Fehltritt des Präsidenten. Was hat er erreicht? Jedenfalls hat er nicht das Geld zum Bau einer Mauer zu Mexiko bekommen“, bemerkte Fly. Er gehe davon aus, dass zwar die Checks and Balances zwischen Regierung und Kongress zunehmen werden, aber sich dadurch gleichzeitig der Stillstand in der US-Politik immer deutlicher manifestiere.
Sorgenvoll blickte Fly auf die amerikanische Bevölkerung. Diese werde durch die anhaltenden innenpolitischen Querelen und die negativen Erfahrungen der militärischen Einsätze im Irak und in Afghanistan der US-Außenpolitik zunehmend überdrüssig. Vor den Midterms hätten Umfragen zufolge nur 6 Prozent der US-Bürger die Außenpolitik als wichtiges Thema eingeschätzt. Er bedauere, dass die amtierende Regierung auf diesem Feld weiterhin erratisch agiere. Dies hänge auch mit den vielen Personalwechseln in Schlüsselpositionen zusammen. Auf der Liste gemeinsamer Herausforderungen der USA und Europas stehe sehr viel, wie etwa die Suche nach Lösungen für soziale Probleme oder der Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Jedoch gebe es keinen Impuls auf Seiten der USA, die transatlantische Agenda voranzutreiben. „Der Wille, eine führende Rolle in der Weltpolitik zu spielen, verschwindet. Dieser Bruch einer jahrzehntelangen Kontinuität wird fundamentale Veränderungen für Europa, aber auch für den Nahen Osten mit sich bringen“, stellte Fly fest. In der Konsequenz dieser Entwicklung müsse Europa herausarbeiten, was es international erreichen will und vor allem wie dies gelingen soll. Gerade Deutschland sollte sich wesentlich stärker in Asien, insbesondere in Japan, engagieren.
In der anschließenden Diskussion mit den Gästen sprach Fly „eine allgemeine Krise der Zuversicht in unseren Gesellschaften“ an. Die Furcht vor Globalisierung, vor Zuwanderung und Digitalisierung sei real. „Hier müsste doch echte transatlantische Zusammenarbeit zu den Triebfedern von Populismus und Nationalismus ansetzen, um Lösungen zu finden“, sagte Fly. Zum Ende der Veranstaltung widmeten sich Fly und die Mitglieder und Young Leaders der Atlantik-Brücke der Staatskrise in Venezuela und dem Handelskonflikt mit China.