Deutsch-Amerikanische Young Leaders Konferenz 2020-2021
Von Daniel Mack und Jessica Loudis
Angesichts der weltweiten Pandemie war bis zur letzten Minute unsicher, ob die Young Leaders-Konferenz 2020/2021 stattfinden würde. Doch glücklicherweise konnten in der ersten Augustwoche fast fünfzig Young Leaders auf Schloss Neuhardenberg in Brandenburg zusammenkommen, um über die Zukunft der transatlantischen Beziehungen zu diskutieren und die dringendsten Herausforderungen zu erörtern, die auf die USA und Deutschland zukommen. Für viele war es das erste große persönliche Zusammentreffen seit mehr als eineinhalb Jahren.
Das Coronavirus stand im Mittelpunkt der Gespräche mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Sigmar Gabriel, dem Vorsitzenden der Atlantik-Brücke und ehemaligen deutschen Vizekanzler. Die Young Leaders betrachteten die Pandemie jedoch nicht als „Black Swan“, also ein unwahrscheinliches und überraschendes Ereignis, sondern als Herausforderung und Spiegelbild einer sich rasch verändernden Welt; eine Katastrophe, die Schwachstellen aufzeigt und politische Systeme auf eine harte Probe stellt. Da Wissenschaftler davor warnen, dass die nächste Pandemie nicht eine Frage des „ob“, sondern des „wann“ ist, fragte sich die Gruppe, was diese neue Realität für die nationale und geopolitische Dynamik bedeuten könnte. Werden intensive Phasen der Instabilität weiterhin zu Fehlinformationen und wirtschaftlicher Unsicherheit führen, oder werden Regierungen, Banken und unabhängige Institutionen endlich lernen, zusammenzuarbeiten und sich effektiv um ihre Bevölkerungen zu kümmern und Allianzen zu festigen? Und wie werden sich andere globale Entwicklungen wie die Digitalisierung, steigende Temperaturen und autokratische Strömungen auf all dies auswirken?
Diesen wichtigen Fragen haben die Young Leaders sich im Laufe der Woche in einer Reihe von inoffiziellen Gesprächen und bei Besuchen in Privatwohnungen und Unternehmen genähert. Der Chargé d’Affairs der US-Botschaft in Berlin, Clark Price, empfing die Gruppe in seiner Residenz; der ehemalige Bild-Chefredakteur und Atlantik-Brücke-Vorstandsmitglied Kai Diekmann traf sich mit den Young Leaders in den Räumen seines New Media-Startups Storymachine, um über die sich wechselnde Dynamik zwischen traditionellen Medien und sozialen Plattformen zu diskutieren. General James Mattis, ehemaliger US-Verteidigungsminister, sprach per Zoom über Leadership und die Bedeutung von Allianzen. Colonel Jill Long, Luftattaché an der US-Botschaft in Berlin, betonte bei einem Abendessen am Flughafen Neuhardenberg, wie wichtig Vielfalt ist. Michelle Müntefering, Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik, traf die Young Leaders im Auswärtigen Amt. Jan Kallmorgen von Berlin Global Advisors empfing die Gruppe bei sich zu Hause, wo Dr. Thomas Bagger, Leiter der Abteilung Außenpolitik im Bundespräsidialamt, über Außen- und Sicherheitspolitik sprach. Professor Dr. Andreas Dombret, Senior Advisor bei Oliver Wyman und Mitglied des Vorstandes der Atlantik-Brücke, sprach über die globale Finanz- und Wirtschaftsentwicklung, insbesondere mit Blick auf die Nachwirkungen der Pandemie. Am Ende der Woche trafen die Young Leaders mit Michael Werz zusammen, Senior Fellow am Center for American Progress und ebenfalls Vorstandsmitglied der Atlantik-Brücke, der uns seine Erkenntnisse über die Auswirkungen des demografischen Wandels auf beiden Seiten des Atlantiks mitteilte.
Schließlich wurden alle Young Leaders Arbeitsgruppen zugeteilt, die sich mit vier Themen befassten: die sich verändernde Rolle Chinas, die Auswirkungen der politischen Polarisierung, Covid-19 und der Klimawandel. Da die Young Leaders aus den unterschiedlichsten Bereichen kommen – aus Politik, den Medien, der Wirtschaft und Think Tanks – bezogen sich die Präsentationen am Ende der Woche auf diese Bereiche und vereinten konkrete, praktische Lösungen mit prägnanten Analysen. Die China-Arbeitsgruppe, die China sowohl als Rivalen als auch als Partner charakterisierte, entwickelte beispielsweise eine Strategie für „Wettbewerb, Zusammenarbeit und Konfrontation“. Dieser Ansatz forderte die EU und die USA auf, ihre Strategien im Bereich der internationalen Entwicklungshilfe neu zu überdenken, um mit China in Bezug auf Soft Power und wirtschaftliche Macht besser konkurrieren zu können. Inspiriert von Deutschlands früherer Wehrpflicht schlug die Polarisierungsgruppe die Einführung eines nationalen Zivildienstes für Amerikaner vor, der ihrer Meinung nach zu einem besseren Miteinander von Bürgerinnen und Bürgern unterschiedlicher sozioökonomischer Hintergründe führen könnte. Die Gruppe zum Thema Covid-19 befürwortete die Entwicklung eines länderübergreifenden Systems zur Verfolgung von Arzneimitteln, damit bei der nächsten Pandemie Impfstoffe und Lieferketten transparenter und effizienter werden.
Der Klimawandel war nicht nur Thema der letzten Arbeitsgruppe, die vorschlug, ein durchschlagenderes internationales System von Kohlenstoffreduktionszielen einzuführen, er warauch das übergreifende Thema der Konferenz. Angesichts der Waldbrände, die in der Türkei, in Griechenland und in Kalifornien wüteten, und angesichts der verheerenden Auswirkungen der jüngsten Überschwemmungen in Deutschland war die globale Erwärmung stellte sich der Klimawandel für die als eine unmittelbare existenzielle Bedrohung dar. Die Dringlichkeit dieses Problems wurde von vielen Rednern zum Ausdruck gebracht, von der Geschäftsführerin einer Schweizer Versicherungsgesellschaft, Andrea Stürmer, bis hin zu einer beeindruckenden jungen Vertreterin von Fridays for Future, Helena Marschall. Durch die Notwendigkeit politischer Zusammenarbeit (die sich während der Covid-19-Pandemie als äußerst problematisch erwiesen hatte) macht der Klimawandel deutlich, dass die eigentliche Herausforderung der Mensch ist. Wie die Referentinnen und Referenten im Laufe der Woche bekräftigten, verfügt die Menschheit zwar über die Technologie, um die Erderwärmung aufzuhalten. Die Frage ist nur, ob es einen gemeinsamen Nenner gibt, um diese Technologien auch nutzen zu können. In diesem Zusammenhang ist eine starke Führung wichtiger denn je.
Die Young Leaders trafen auch Graf von Hardenberg, der die Geschichte des ehemaligen Anwesens seiner Familie vorstellte und dessen Rolle als Schauplatz von Widerstandstreffen während des Nationalsozialismus beschrieb. Das Schloss wurde nach der Ermordung des Widerstandskämpfers Claus Graf von Stauffenberg enteignet, zu DDR-Zeiten in eine Schule umgewandelt und später in ein Konferenzzentrum und ein Denkmal für den Antifaschismus – eine Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland und seiner Rückkehr vom Rande der totalen Katastrophe im Kleinen.
Es gibt viele Gründe, über den Zustand der Welt im Jahr 2021 entmutigt zu sein, aber, wie den Young Leaders in Neuhardenberg vor Augen geführt wurde, gibt es auch Gründe, hoffnungsvoll zu sein. Nach fast zwei Jahren der Angst und Isolation erinnerte die Konferenz daran, wie wichtig es ist, sich von Angesicht zu Angesicht zu treffen, und unterstrich, dass der direkte Austausch die beste Grundlage für Vertrauen und Zusammenarbeit ist. Als Young Leaders 2020/2021 – vielleicht die längste Kohorte in der Geschichte des Programms – sind wir davon überzeugt, dass eine sozial-ökologische Transformation für unsere und zukünftige Generationen entscheidend ist.