“Deutsche Autos sind keine Gefahr für die nationale Sicherheit“
Brad W. Setser, Senior Fellow des Council on Foreign Relations, hat bei einem Dinner der Atlantik-Brücke über die Zollpolitik von US-Präsident Trump, den Handelskrieg mit China, wachsende Schuldenberge und mangelnde Investitionen gesprochen.
Von Robin Fehrenbach
Für Brad W. Setsers Vortrag vor Mitgliedern der Atlantik-Brücke hätte es kaum einen geeigneteren Zeitpunkt geben können. Denn nur 72 Stunden nachdem US-Präsident Donald Trump seine Entscheidung über höhere Importzölle auf Automobile aus der Europäischen Union um weitere 180 Tage vertagt hatte, erläuterte der Steven A. Tananbaum Senior Fellow for International Economics des Council on Foreign Relations seine Sicht auf den aktuellen transatlantischen Handelskonflikt und die deutsche Exportstärke. Die Argumentation der amerikanischen Administration für eine Beschränkung der Einfuhr europäischer Fahrzeuge hält Setser für nicht stichhaltig: „Es gibt keine rationale Begründung dafür, dass insbesondere die Produktion deutscher Autos in den USA und der Import deutscher Pkw eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen.“ Frühere und aktuelle Angestellte in der amerikanischen Automobilproduktion – ein wichtiger Teil von Trumps Wählerbasis – seien von dieser Politik ebenfalls nicht überzeugt. Sie hielten das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA für weitaus problematischer, da dadurch viele Arbeitsplätze nach Mexiko verlagert wurden.
Die Hauptursache für die protektionistische Handelspolitik der Trump-Regierung liegt im bilateralen Handelsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten mit der Europäischen Union bei Waren und Gütern. Der Präsident und seine Berater nennen den transatlantischen Handel in der aktuellen Form „unfair“. Brad Setser empfiehlt der US-Regierung indes, sich einmal den sogenannten Hafen-Effekt bei der Einfuhr amerikanischer Produkte in Westeuropa, speziell in Rotterdam, zu vergegenwärtigen. „Rechnet man die Handelsbilanzen der USA mit Deutschland und den Niederlanden zusammen, ist die Gesamtbilanz quasi ausgeglichen“, sagte er. Setser rät den Unterhändlern für ein sich möglicherweise anbahnendes Freihandelsabkommen auf beiden Seiten des Atlantiks, nicht wie bei TTIP so viele Punkte wie möglich zu verhandeln. Dienstleistungen sollten ausgeklammert werden, der Fokus sollte nur auf Waren liegen, wenn die Beratungen Aussicht auf Erfolg haben sollen.
„China will europäische und amerikanische Unternehmen von seinem Markt verdrängen“
Was den Handelskrieg der USA mit China angeht, kritisierte Setser sowohl die Vereinigten Staaten als auch die Europäische Union. Grundsätzlich stelle Chinas Wirtschaftspolitik mit dem Programm „Made in China 2025“, der Neuen Seidenstraße, dem Diebstahl geistigen Eigentums und dem erzwungenen Technologietransfer aus westlichen Unternehmen in chinesische Firmen und Betriebe eine Herausforderung für die gesamte transatlantische Allianz dar. Die Volksrepublik wolle nicht nur den Anschluss an die Spitze der Weltmarktführer in Schlüsselindustrien herstellen, sondern diese auch übernehmen. „China will europäische und amerikanische Unternehmen von seinem Markt verdrängen“, warnte der Vertreter des New Yorker Think Tanks. Doch anstatt eine kohärente transatlantische Strategie im gemeinsamen Umgang mit China zu entwickeln, frage sich Präsident Trump, warum er die EU an einem möglicherweise erfolgreichen Ausgang des Zollstreits teilhaben lassen sollte. Hinzu komme allerdings, dass die EU konkret aufzeigen solle, wie sie den Druck auf China hochhalten wolle, zum Beispiel was Währungsmanipulationen betrifft.
Auch ein drittes Problem in der Wirtschafts- und Finanzpolitik der USA und EU betrachtet Setser mit einer gewissen Sorge: eine wachsende Kluft der Fiskalpolitiken der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union. „Die Unterschiede auf diesem Feld waren in den vergangenen 20 Jahren nie größer“, sagte Setser. Eine Zeit lang habe das Schuldenniveau der USA nur drei Prozent über dem der EU gelegen. Doch inzwischen habe Amerika einen anderen Pfad eingeschlagen und sich entschieden, sein Defizit zu vergrößern. „Dieses Divergieren dürfte anhalten. Langfristig könnten Deutschlands Schulden um zehn Prozent schrumpfen, während die der USA um 15 Prozent wachsen könnten“, prognostizierte der früherer Mitarbeiter der Obama-Administration.
Diese Analyse bedeutet aber aus Setsers Sicht nicht, dass Deutschland eine klügere Fiskalpolitik betreibt. „Erstens ist Deutschland äußeren Schocks zu einem erheblichen Grad ausgesetzt, weil es so sehr von seinem Export abhängt. Zweitens ist eine geringe Neuverschuldung oder gar ein Schuldenabbau nur dann eine finanzpolitische Tugend, wenn Investitionen steigen. Drittens ist das Reduzieren von Staatsanleihen kontraproduktiv“, sagte Setser. Der Bundesregierung würde er empfehlen, die Fiskalpolitik zu lockern und mehr in heimische Märkte zu investieren, damit die Binnenkonjunktur angekurbelt wird.