Deutschland und die USA suchen ihren Platz in einer neuen Ära der Geopolitik
Unter dem Titel ”A New Era of Great Power Competition – Germany, the United States and China” diskutierten am 14. September 2023 Dr. Janka Oertel, Direktorin des Asien-Programms beim European Council on Foreign Relations (ECFR), und Ali Wyne, Senior Analyst für Global Macro-Geopolitics bei der Eurasia Group, mit Julia Friedlander, Geschäftsführerin der Atlantik-Brücke. Eine Aufzeichnung der virtuellen Diskussion ist unter diesem Beitrag verfügbar.
Ali Wyne (2022: America’s Great-Power Opportunity: Revitalizing U.S. Foreign Policy to Meet the Challenges of Strategic Competition) präsentierte die US-amerikanische Perspektive auf die gegenwärtigen geopolitischen Herausforderungen. Ihm zufolge haben die USA China nach dem Ende des Kalten Kriegs lange unterschätzt und erst Mitte der 2000er Jahre dessen Wandel von einer aufstrebenden Macht unter vielen zu einem Wettbewerber von eigenem Format realisiert. Mittlerweile jedoch würde China von der US-Administration als strategischer Wettbewerber wahrgenommen und dabei weder über- noch unterschätzt. Durch eigene Fehler sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik sei China nur ein begrenzter Wettbewerber, der nicht überhöht werden sollte. Auch Xi Jinpings Plan, die BRICS zu einem anti-westlichen Machtblock auszubauen, dürfte sich, so Wyne, als Fehlannahme herauszustellen. Von den neuen BRICS-Mitgliedstaaten sei nur Iran ein wirklich anti-westlicher Player.
Dr. Janka Oertel (2023: Ende der China-Illusion: Wie wir mit Pekings Machtanspruch umgehen müssen) widersprach Wyne’s eher optimistischer Einschätzung graduell aus europäischer Perspektive. Für China seien Überlegungen rund um strategischen Wettbewerb nicht US-zentriert, sondern stets ein Wettkampf mit den USA und all seinen Partnern. Deshalb fordert sie von Europa eine aktivere Rolle im globalen Machtgefüge. Dabei seien die Herausforderungen, etwa bei chinesischen E-Autos auf dem deutschen Markt, immens und ein „De-Risking“ keine leicht zu bewältigende Aufgabe. Mit Blick auf die deutsche China-Strategie müsse der klaren Analyse und markanten Worten nun entschlossenes Handeln folgen.
Im Verlauf des Gesprächs wurde deutlich: Weder die USA noch Deutschland dürfen sich im globalen Wettstreit um die Gunst aufstrebender Partner auf dem Status Quo ausruhen. Westliche Bemühungen um Staaten wie Brasilien oder Indien sollten intensiviert werden, um Chinas anti-westliche Politik, die auch von Russland aktiv unterstützt wird, einzudämmen. Ob sich Xi mit seiner Einschätzung der zukünftigen Rolle der BRICS tatsächlich verkalkuliert, bleibt abzuwarten und hängt auch davon ab, ob die USA und Deutschland ihre neue Rolle im Wettbewerb der Großmächte annehmen und ausfüllen.