Gesellschaft

Die Zahlen hinter der Corona-Pandemie

Der US Corona-Monitor der Atlantik-Brücke
Die Zahlen hinter der Corona-Pandemie Derzeit finden rund um die Uhr Tests auf die Atemwegserkrankung Covid-19 statt. Foto: unsplash

Von Robin Fehrenbach

Überall auf der Welt lautet das Gebot der Stunde im Umgang mit der Corona-Pandemie „Flatten the Curve“. Doch nur, wenn diese Kurve aufgrund aussagekräftiger Fallzahlen erstellt wird, haben Gesundheitsbehörden, Regierungen und Parlamente einen verlässlichen Gradmesser für die momentane Verbreitung des Corona-Virus Sars-CoV-2 – und damit eine solide Entscheidungsgrundlage dafür, wann Beschränkungen der wirtschaftlichen Aktivität und des öffentlichen Lebens Schritt für Schritt gelockert werden könnten. Daher widmet sich diese Ausgabe unseres US Corona-Monitors gezielt der Methodik zur Erhebung der viel diskutierten Zahlen von Infizierten und Toten dieser Krise.

Wie werden im internationalen Vergleich Fälle von Sars-CoV-2-Infizierten und -Toten gezählt?

Aus jedem Land der internationalen Staatengemeinschaft liegen laufend aktualisierte Fallzahlen von Infizierten und Toten vor. Damit ein Staat der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und anderen Institutionen aktuelle Zahlen melden kann, müssen vorher anerkannte Tests zum Tragen gekommen sein.

Die WHO erkennt verschiedene internationale Testverfahren als gesichert an, die aus unterschiedlichen Märkten stammen – das gängigste Verfahren ist der sogenannte PCR-Test. Wie wichtig das Gütesiegel der Genfer UN-Behörde ist, zeigten die ursprünglich von der US-Seuchenschutzbehörde CDC eingesetzten Test-Kits, die fehlerhaft waren. Die Zahlen, die der WHO gemeldet werden, beruhen aber nicht nur auf Testergebnissen. Neben den labor-diagnostisch getesteten und positiv bestätigten Personen gibt es die Gruppe von Fällen, für die eine Covid-19-Erkrankung klinisch-epidemiologisch angenommen und damit als sehr wahrscheinlich erachtet wird. Hier gibt es also eine gewisse Unschärfe in den Angaben, die eine Bewertung der tatsächlichen Entwicklung der Pandemie erschwert.

Unabhängig von der Art des Tests oder der lediglich starken Vermutung einer Infektion ist der Kampf um die Deutungshoheit der Zahlen zwischen verschiedenen Forschungseinrichtungen bemerkenswert. In Deutschland ist das bundeseigene Robert-Koch-Institut (RKI) verantwortlich für das aktuelle Lagebild zur Corona-Pandemie. Grundlage für die Berichte des RKI sind die täglichen Meldungen der deutschen Gesundheitsämter auf der Basis des Infektionsschutzgesetzes. Dies ist ein relativ langsames, dafür aber gründliches und gesichertes Verfahren.

Demgegenüber überwacht die Johns-Hopkins-University (JHU) auf ihrer laufend aktualisierten Infokarte der Corona-Fälle die weltweite Entwicklung der Pandemie. Die Grundlage für die Forscher in Baltimore sind zum einen die offiziell erhobenen Daten, die auch das RKI zugrundelegt, ergänzt durch verschiedene lokale, nationale und internationale Datenquellen sowie mathematische Modellierung. Die JHU gibt selbst an, dass die abgebildeten Daten auf ihrer Seite nicht zwingend konsistent seien und die internationale Vergleichbarkeit nicht ohne Weiteres vorgenommen werden könne. Dennoch ist die JHU-Karte so etwas wie der ständige Situation Room, den sich jede Privatperson weltweit auf dem Monitor des Laptops oder PCs im Home Office ansehen kann. Auch die eher konservativ agierende Tagesschau verweist fast ausschließlich auf die Daten der JHU.

Wie flächendeckend werden Tests in den Vereinigten Staaten und Deutschland durchgeführt?

Um ein möglichst realistisches und umfassendes Bild von der Ausbreitung des Corona-Virus zu erhalten, kommt es darauf an, in breitem Umfang zu testen. Das Verhältnis von bestätigten Infizierten zu Toten sieht dann besonders dramatisch aus, wenn vergleichsweise wenig getestet wird. Im Kern geht es also darum, die Dunkelziffer möglichst klein zu halten.

Dafür müssen aber fortlaufend ausreichend Tests stattfinden. Außerdem muss der Zugang zu ihnen gewährleistet sein, sei es über mobile Mitarbeiter von Gesundheitsämtern, über speziell ausgewiesene Anlaufstellen in Kliniken oder über Drive-Through-Zonen für Tests aus dem Auto heraus.

In den USA liefen die Tests zunächst nur sehr schleppend an. Auch wenn die Versorgungslage mittlerweile deutlich verbessert ist, kann heute noch immer nicht jeder US-Bürger getestet werden, der dies möchte. Aber das Tempo, mit dem die USA in den Tests im internationalen Vergleich aufholen, ist sehr hoch: Laut der Ärztin Deborah Birx, die in der Corona-Virus-Task-Force des Weißen Hauses die Bekämpfung der Pandemie in den USA koordiniert, wurden allein in einem Zeitraum von acht Tagen 220.000 Tests vorgenommen. Südkorea, das am selben Tag wie die USA seine ersten Corona-Fälle gemeldet hatte, habe für das gleiche Volumen an Tests acht Wochen gebraucht, sagte Birx. Doch beim Blick auf die Bevölkerungszahlen der beiden Länder fällt auf, dass einer von 142 Südkoreanern auf das Virus getestet wurde – während dies nur bei einem von 786 Amerikanern der Fall ist. Südkorea weist also eine deutlich höhere Testquote auf als die USA.

65.000 Amerikaner werden derzeit täglich auf das Corona-Virus getestet. Gesundheitsexperten empfehlen allerdings, dass täglich 150.000 Tests durchgeführt werden müssten, um Infizierte schnell zu identifizieren und konsequent von der Außenwelt zu isolieren.

In Deutschland dagegen können nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung entsprechend der zur Verfügung stehenden Kapazitäten 12.000 Menschen täglich auf Sars-CoV-2 in den Laboren getestet werden. Generell gilt dem RKI zufolge, dass in Deutschland nur Menschen auf Covid-19 getestet werden, die entsprechende Symptome wie vor allem Fieber und Husten aufweisen. Weitere Kriterien für einen Test sind, ob man selbst unlängst in einem Risikogebiet wie etwa der Lombardei war oder direkten Kontakt mit einer nachweislich positiv auf Covid-19 getesteten Person hatte.

Sowohl für die USA als auch für Deutschland gilt, dass die Tests nicht zwingend flächendeckend sein müssen. Sie können es auch gar nicht sein angesichts von Bevölkerungszahlen von 330 bzw. 82 Millionen Menschen. Auch wegen knapper Testmaterialien wie Entnahmesets und Reagenzien hält der Berufsverband Deutscher Laborärzte (BDL) flächendeckende Tests für „illusorisch“. Vielmehr kommt es darauf an, die schnelle Verbreitung des Corona-Virus in Ballungsgebieten drastisch zu verlangsamen, denn in solchen Zentren gibt es die meisten Fälle von Infizierten und die größte Bewegung von vielen Menschen auf vergleichsweise engem Raum. Exemplarisch dafür steht derzeit New York City, das schwer von der Pandemie getroffen wurde. Fast ein Viertel aller in den USA mit dem Virus Infizierten lebt in Amerikas bevölkerungsreichster Stadt.

Quellen und weiterführende Lektüre

Sibylle Anderl: Hat Johns Hopkins bessere Corona-Zahlen als das RKI? Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. März 2020.

Tanja Banner: Sars-CoV-2: Wer auf das Coronavirus getestet wird – und wer nicht. Frankfurter Rundschau, 30. März 2020.

Lazaro Gamio, Weiyi Cai, Adeel Hassan: Where the U.S. Stands Now on Coronavirus Testing. The New York Times, 26. März 2020.

Robert Koch Institut: COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit. RKI, abgerufen am 30. März 2020.

Robert Koch Institut: Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2. RKI, abgerufen am 31. März 2020.

Tara Subramaniam, Holmes Lybrand: Fact Check: US has done more coronavirus tests than South Korea, but not per person. CNN, 26. März 2020.

Süddeutsche Zeitung: Jena will schrittweise Masken-Pflicht einführen. Süddeutsche Zeitung, 31. März 2020.

Johns Hopkins University & Medicine: Corona-Virus COVID-19 Global Cases by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University. Coronavirus Resource Center at Johns Hopkins University, abgerufen am 30. März 2020.

Ed Yong: How the Pandemic Will End. The Atlantic, 25. März 2020.

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