Ein Weckruf
Die Gewalt in Washington und der Sturm auf das Kapitol, das Symbol des parlamentarischen Amerikas und der freien Welt, waren schockierend. Die USA sind unser Freund und Partner und wir stehen an der Seite der überwiegenden Mehrheit Amerikas, Demokraten wie Republikaner, die diese Geschehnisse auf das Schärfste verurteilt und sich entschieden davon distanziert. Für alle, die sich zur westlichen, demokratischen und liberalen Grundordnung bekennen, in Amerika und auch hier, müssen die Ereignisse ein Weckruf sein. Populistischen Angriffen auf diese Ordnung muss konsequent und mit aller Härte begegnet werden. Sie behindern nicht nur die politische Willensbildung, sondern schaden dem Ansehen der Demokratie in der Welt.
Die Bilder aus Washington sind nicht repräsentativ für die gesamten USA. Doch die derzeitige gesellschaftliche Spaltung der Vereinigten Staaten reicht tief. Sie wurzelt in ökonomischer und sozialer Ungleichheit und der Entstehung medialer Parallelöffentlichkeiten. Diese Spaltung wurde vom noch amtierende Präsidenten Donald Trump während seiner Amtszeit aktiv vorangetrieben. Er trägt auch die Verantwortung für die gestrige Eskalation, der er durch die Verbreitung von Falschinformationen zur Wahl, die Diskreditierung der Medien sowie offensive Sympathiebekundungen für rechtsradikale Gruppen und Verschwörungstheorien erst zu Motivation und Schlagkraft verholfen hat. Das Vergehen Trumps an der amerikanischen Demokratie muss klar benannt werden und Konsequenzen haben.
Auch wenn die Amtsübernahme der neuen US-Administration von den Ereignissen des gestrigen Tages und der anhaltenden Spaltung des Landes massiv überschattet sein wird, sind wir hoffnungsvoll, dass der Weckruf gehört wird.
Als enge Partner der USA verbietet sich für uns Europäer der mahnende Fingerzeig – auch in Europa ist die demokratische Grundordnung keine Selbstverständlichkeit. Sie muss erkämpft und immer wieder entschlossen verteidigt werden. Auch wenn es lange dauern wird, die Wunden zu heilen – das Jahr 2021 bietet die Chance für einen Neubeginn und ein deutliches Bekenntnis zur Demokratie und zum friedlichen Miteinander. In diesem Bemühen reichen wir unseren amerikanischen Freunden die Hand.
Der Geschäftsführende Vorstand der Atlantik-Brücke
Sigmar Gabriel, Vorsitzender
Professor Dr. Michael Hüther, Stellvertretender Vorsitzender
Dr. Norbert Röttgen, Stellvertretender Vorsitzender
Ute Wolf, Schatzmeisterin
Dr. David Deißner, Geschäftsführer