„Faith, family, freedom ist das Credo konservativer Politikerinnen“
Konservative Frauen sind in den USA zu einem Machtfaktor geworden. In ihrem Buch „Guns n‘ Rosé – Konservative Frauen erobern die USA“ erklären die Journalistinnen Juliane Schäuble und Annett Meiritz eine Bewegung, die die Zukunft der USA entscheidend prägen wird. Mit dem Atlantik-Brücke-Vorsitzenden Sigmar Gabriel und moderiert von Tagesspiegel-Herausgeber Stephan-Andreas Casdorff stellten die beiden Autorinnen ihr Buch in Berlin im Kontext der zuvor abgehaltenen Kongresswahlen vor.
Exklusiv für den Atlantik-Brücke RECAP haben wir mit Annett Meiritz und Juliane Schäuble über ihr Buch gesprochen.
Die Konservativen werben – gerade in den USA – mit traditionellen Familienwerten. Die Lebensrealität vieler Amerikanerinnen sieht oft gar nicht mehr traditionell aus: Die Zahl alleinerziehender Mütter nimmt seit den 1970er Jahren zu; seit den 90er Jahren ist fast die Hälfte der berufstätigen Bevölkerung in den USA weiblich. In Eurem Buch zeigt Ihr, dass der Konservatismus dennoch bei vielen Frauen auf Zuspruch stößt. Woran liegt das, und gibt es konservative Themen, die insbesondere Frauen ansprechen?
Annett Meiritz: Es gibt jede Menge interessante Republikanerinnen oder Anhängerinnen der Republikaner, die unheimlich selbstbewusst auftreten. Sie sagen: Wir sind Feministinnen, wir setzen uns für Frauenrechte ein und fühlen uns von den Linken nicht vertreten. Diesen Spannungsbogen wollten wir in unserem Buch aufbrechen und genauer hinschauen, warum sich diese Strömung hartnäckig hält – obwohl doch so viele demografische Faktoren gegen sie sprechen. Beim Thema Abtreibung ist es zum Beispiel so, dass sich konservative Frauen als wahre Befürworterinnen von weiblichen Interessen sehen, nach dem Motto: Wir wollen die Frauen nicht dazu drängen, eine Abtreibung zu haben, wir wollen sie beschützen. Sie argumentieren, dass Frauen früher immer gesagt wurde, du kannst nicht Kinder haben und Karriere machen. Diese konservativen Frauen sagen jetzt: Doch, wir kriegen das alles hin. Sie nutzen also Argumente aus dem linken feministischen Lager für ihre eigenen Ziele.
Juliane Schäuble: Aber nicht nur Abtreibung ist wichtig. Auch wirtschaftliche Sicherheit, Inflation, Einwanderung, Kriminalität, der „schlanke Staat“ und allgemein der Freiheitsbegriff sind Themen, bei denen konservative Frauen mitreden und -bestimmen wollen. Und nicht zu vergessen: das Bildungsthema, das in der Pandemie noch einmal enorm an Bedeutung gewonnen hat.
Ihr habt für Euer Buch viele Gespräche geführt und ganz verschiedene Frauen getroffen. Was hat Euch bei den Recherchen am meisten überrascht?
Annett Meiritz: Die meisten der Frauen sind sehr machtbewusst. Sie wollen selbst regieren oder über Verbände und Netzwerke Einfluss auf die Gesellschaft nehmen. Sie wollen nicht das Heimchen am Herd sein – ein Bild, das so gerne von konservativen Frauen gezeichnet wird. Ihr Einfluss ist in allen Bereichen des amerikanischen Alltags spürbar, in der Justiz, Gesellschaftspolitik, Schulen und Kulturkämpfen.
Juliane Schäuble: Überrascht hat uns auch der hohe Grad an Vernetzung, die Frauenförderung im konservativen Lager. Auch sprechen sich die meisten von ihnen gegen Quoten aus. Aber konservative Politikerinnen wie die Gouverneurin von South Dakota, Kristi Noem, fordern, dass Frauen bei allen wichtigen Entscheidungen beteiligt werden sollen. Weil es zwar keine „Frauenthemen“ gebe, aber eine spezifisch weibliche Perspektive auf jedes Thema. Interessant fanden wir in diesem Zusammenhang auch, wie selbstverständlich sie von einem „konservativen Feminismus“ sprechen – ein Begriff, der für viele von uns mindestens erklärungsbedürftig sein wird.
Unter dem Begriff „konservative Frauen“ lassen sich so unterschiedliche Menschen wie Liz Cheney, Nikki Haley und Marjorie Taylor Greene subsumieren – von der Trump-Gegnerin zur lautstarken Verschwörungstheoretikerin ist alles dabei. Gibt es da überhaupt einen gemeinsamen Nenner?
Juliane Schäuble: Ein Credo, das wohl alle diese Politikerinnen teilen, ist: Faith, family, freedom. Religion, Familie, Freiheit, drei bedrohte Güter, die sie bewahren wollen. Sie sind entschlossen, das Land vor der, wie sie es nennen, „radikalen Linken“, zu retten. Sie wollen keinen Wohlfahrtsstaat, was bei ihnen gleichbedeutend mit der Einführung von Sozialismus oder gar Kommunismus ist. Aber ja, Abgeordnete wie Marjorie Taylor Greene rütteln an den Grundfesten der Demokratie, die von Republikanerinnen wie Liz Cheney und Nikki Haley nicht in Frage gestellt wird – das ist schwierig miteinander zu vereinbaren, was man auch an der Identitätskrise in der Republikanischen Partei sieht.
Viele progressive Feministinnen identifizieren sich mit der Demokratischen Partei. Doch wie stehen die beiden Parteien eigentlich praktisch da, wenn es um die Förderung von Frauen geht – sowohl in Spitzenpositionen als auch beim politischen Nachwuchs?
Annett Meiritz: Schauen wir mal auf die Midterms: Wir haben neuerdings zwölf weibliche Gouverneure, so viele wie noch nie, davon sind vier Republikanerinnen. Auch im neuen Kongress werden mehr Frauen als je zuvor sitzen, es sind 149. Davon sind 107 demokratisch und 42 republikanisch. Man sieht also, dass das Gefälle zwischen Demokratinnen und Republikanerinnen immer noch groß ist, aber bei den Konservativen bewegt sich viel. Noch vor ein paar Jahren waren konservative Frauen einstellig im Kongress vertreten. Interessant ist, dass Republikanerinnen immer diverser werden. Im neuen Repräsentantenhaus sitzen drei Latinas auf dem republikanischen Ticket, mehr als bei den Demokraten.
Welche konservativen Frauen sollten wir uns merken? Wer wird die Zukunft der USA mitgestalten, und in welche Richtung?
Juliane Schäuble: Nikki Haley ist sicherlich eine Figur, die im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner eine große Rolle spielen wird. Sie hat bereits erklärt, über eine Kandidatur nachzudenken und sammelt fleißig Geld. Auch Elise Stefanik, die ranghöchste Republikanerin im Repräsentantenhaus, sollte man im Auge behalten. Sie ist als Donald Trumps „Running Mate“ im Gespräch. Dann sind natürlich alle gespannt, was Liz Cheney machen wird, nachdem sie von ihrer eigenen Partei nicht mehr aufgestellt wurde. Sie ist das Gesicht der konservativen Trump-Gegner, da wird sie nicht einfach in der Versenkung verschwinden wollen, solange die Möglichkeit besteht, dass der Ex-Präsident wirklich zurückkommt. Und auf der anderen Seite des Spektrums haben wir wohl nicht das letzte Mal von Kari Lake gehört, die zwar nicht zur Gouverneurin von Arizona gewählt wurde, aber dennoch keine Ruhe gibt.
Annett Meiritz: Ohnehin gilt: Selbst, wenn wir 2024 nur männliche Präsidentschaftsbewerber haben sollten, ohne weibliche Wählerinnen haben sie keine Chance auf eine Mehrheit. Mögliche Kandidaten wie Mike Pence knüpfen ganz gezielt Netzwerke in Frauenverbänden, weil sie nicht auf ihre Unterstützung verzichten können.
Annett Meiritz ist USA-Korrespondentin des Handelsblatts; Juliane Schäuble ist USA-Korrespondentin des Tagesspiegels. Beide sind Alumnae des Atlantik-Brücke Young Leaders-Programms.