Fünf Jahre CETA: Ein Vorbild für modernen Freihandel
Seit dem 21. September 2017 ist das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union vorläufig in Kraft. Mary Ng, Kanadas Ministerin für internationalen Handel, und Jörg Wojahn, Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland, zogen in einer Diskussion der Atlantik-Brücke Zwischenbilanz.
Von Robin Fehrenbach
Das Comprehensive and Economic Trade Agreement (CETA) zwischen Kanada und der Europäischen Union ist zwar noch ein recht junges Freihandelsabkommen. Doch schon kurz vor dem fünften Jahrestag seit Inkrafttreten zeigt sich, dass es einen Goldstandard für multilaterale Handelsverträge gesetzt hat. Dies ist die Quintessenz einer Diskussionsrunde der Atlantik-Brücke in der kanadischen Botschaft in Berlin, an der Mary Ng, Kanadas Ministerin für internationalen Handel, Exportförderung, Kleinunternehmen und wirtschaftliche Entwicklung, Jörg Wojahn, Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland, und Julia Friedlander, Geschäftsführerin der Atlantik-Brücke, teilnahmen. Dr. Laura von Daniels, Leiterin der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), moderierte das Gespräch, das unter der Chatham-House-Rule geführt wurde.
Zahlen verdeutlichten am besten, wie positiv sich CETA bisher auf Gesellschaften und Unternehmen in Kanada und Europa ausgewirkt habe, hielten die Expertinnen und Experten fest. 98 Prozent aller Zölle im kanadisch-europäischen Handel von Gütern und Dienstleistungen wurden heruntergesetzt bzw. auf null Prozent gesenkt, was einer Einsparung von 890 Millionen Euro pro Jahr gleichkommt; der Warenhandel zwischen Kanada und der EU nahm um 33 Prozent im Vergleich zum Niveau vor Einführung von CETA zu; dies entspricht einem um 68 Milliarden Euro höheren jährlichen Handelsvolumen. Es sei viel Arbeit in den langen Verhandlungsrunden der strategischen Partnerschaft zwischen Kanada und Europa nötig gewesen, um CETA zu implementieren und dessen Potenzial zu entfalten.
Positive sekundäre Effekte über Zollsenkungen hinaus
Doch CETA sei mehr als ein rein auf Zollsenkung und Marktöffnung ausgerichtetes Freihandelsabkommen und in seiner Ausgestaltung einzigartig. Dies spiegele sich insbesondere in den positiven sekundären Effekten des Vertragswerkes wider. Diese kämen zum Tragen, wenn Menschen und Betriebe gleichermaßen von einer Handelsübereinkunft profitieren. So sei CETA ein progressives Abkommen zum Beispiel im Sinne der Rechte von Belegschaften, für Digitalunternehmen und Belange der Umwelt und des Klimas. Diesbezügliche Bestimmungen des Vertrages hätten Zölle bei Produkten und Dienstleistungen beseitigt und kämen so dem internationalen Kampf gegen den Klimawandel zugute. CETA wirke sich positiv auf alle Kanadierinnen und Kanadier aus, auf kleine und mittlere Unternehmen, auf Betriebe, die von Frauen und Indigenen geführt werden.
Dieser inklusive Charakter von CETA für Belegschaften – also Wohlstand für möglichst viele Menschen zu erzeugen und deren Lebensstandard zu erhöhen – habe mittlerweile Vorbildfunktion und Nachahmer gefunden. Denn die Bestimmungen im Kapitel der Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern innerhalb von CETA finden sich in ähnlicher Form im transpazifischen Freihandelsabkommen CPTPP und im Nachfolge-Abkommen von NAFTA (CUSMA bzw. USMCA und TMEC) zwischen Kanada, den Vereinigten Staaten von Amerika und Mexiko wieder. CETA erlaube es der kanadischen Regierung und der EU-Kommission außerdem, in der Welthandelsorganisation (WTO) und anderen multinationalen Foren verantwortungsvoll Fortschritte und Reformen zu erzielen. So zeige das Abkommen etwa, dass man Handelsregeln dazu nutzen sollte, um Anreize für die Industrie zu setzen, in die Transformation zu einer grünen, also erneuerbaren Ökonomie zu investieren.
Kanadas Zusammenarbeit mit Europa hat eine breitere geopolitische Bedeutung
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Diskussion bekräftigten, dass CETA eine breitere geopolitische Bedeutung habe, die bei den Verhandlungen schon mitgedacht worden sei. Denn hier kooperierten zwei Blöcke, die nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch viel gemeinsam hätten. Die Zusammenarbeit in der Ottawa-Group veranschauliche das gut. Weltweit werde der Versuch unternommen, international gesetzte Standards und regelbasierte Ordnung zu unterminieren. Umso wichtiger sei es daher, dass die EU und Kanada gewissermaßen Bastionen komplementärer Volkswirtschaften darstellten und in ihrer Zusammenarbeit ein Vorbild für internationalen Freihandel. Auch mit Blick auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zeige sich die Stärke der europäisch-kanadischen Beziehungen: So hätten die verschiedenen Sanktionen der G7 wie die Exportkontrolle oder das Einfrieren von und der gesperrte Zugang zu Devisen eine wichtige Wirkung als geschlossene Antwort des Westens auf den Überfall entfaltet.
Allerdings steht CETA noch vor bedeutsamen Herausforderungen. Es gelte, den Erfolgsweg kontinuierlich weiterzugehen. Dazu sollten alle nationalen Parlamente in der EU CETA ratifizieren, um es zur vollen Anwendung zu bringen. Schließlich handelt es sich um ein sogenanntes gemischtes Freihandelsabkommen, das zwischen Geltungsbereichen auf supranationaler Ebene und nationaler Ebene unterscheidet. Bislang haben 16 Parlamente von EU-Mitgliedern das Abkommen ratifiziert – Deutschland gehört nicht dazu, der Bundestag soll es aber in diesem Herbst endgültig annehmen. Die politische Opposition gegenüber CETA in nationalen Parlamenten hänge in erster Linie mit dem Investorenschutz und der Beilegung von Disputen zwischen Investoren und Staaten im neu konzipierten International Court System (ICS) zusammen. Die Panellisten betonten, dass im ICS unabhängige Richterinnen und Richter zum Einsatz kommen sollen. Es handele sich um das modernste Gerichtssystem, das jemals zur Beilegung von Handelsstreitigkeiten ausgehandelt worden sei. Dieses entwickelte Verfahren und Regelwerk sei ein guter Kompromiss, der sowohl den Investoren als auch den einzelnen Staaten gerecht werde.
Diese Veranstaltung fand mit großzügiger Unterstützung der kanadischen Botschaft in Deutschland und der EU-Kommission statt.