Kanada und Deutschland, die idealen Energie- und Rohstoffpartner
Von Martin Schebesta und Sabina Wölkner
In Zeiten des Klimawandels, zunehmender geopolitischer Spannungen und der Energiekrise sind internationale Kooperation und die Diversifizierung der Energie- und Rohstoffversorgung ein Schlüssel für Resilienz, Versorgungssicherheit und das Gelingen der Energiewende. Daher ist die deutsche Bundesregierung in den letzten Jahren verstärkt bilaterale Energiepartnerschaften eingegangen – so auch mit Kanada. Schwerpunkte der 2021 gegründeten Deutsch-Kanadischen Energiepartnerschaft sind bislang vor allem die Wasserstoffallianz, aber auch die Energiesicherheit und die Versorgungssicherheit bei Mineralien für die Energiewende. Insbesondere Letzterer gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die Atlantik-Brücke und die Konrad-Adenauer-Stiftung nahmen den Delegationsbesuch von Energie- und Rohstoffexperten des KAS-Auslandsbüros Kanada zum Anlass, am 27. Juni gemeinsam mit Fachleuten und Stakeholdern aus Deutschland und Kanada über die Potenziale der Energie- und vor allem Rohstoffpartnerschaft zu diskutieren.
Die Experten waren sich darüber einig, dass die Partnerschaft insbesondere im Wasserstoff- und Rohstoffbereich große Potenziale birgt. Deutschland und Kanada sind ideale Energie- und Rohstoffpartner: Kanada ist ein rohstoffreiches Energie-Exportland, während Deutschland ein rohstoffarmes Energie-Importland ist. Außerdem verfügt Kanada über kritische Rohstoffvorkommen von Lithium, Nickel und Kobalt, aber auch von Platingruppenmetallen, die für die Energiewende immer stärker an Bedeutung gewinnen werden. Kanada wiederum möchte ein strategischer Rohstofflieferant für seine Handelspartner werden. Beide Länder verbinden ähnliche Werte, das Ziel der Klimaneutralität bzw. Netto-Null-Emissionen sowie hohe Umwelt- und Produktionsstandards, die den Ausstoß klimaschädlicher Emissionen begrenzen. Kanada stellt aus deutscher Sicht zudem einen verlässlichen Partner dar. Mit Blick auf die bestehende Energiepartnerschaft komme es jetzt darauf an, gezielt und strategisch Brücken zu bauen, die gesamte Wertschöpfungskette in einer Energie- und Rohstoffpartnerschaft zu erfassen sowie auszubauen und eine Win-Win-Situation für beide Seiten zu schaffen, etwa durch die Förderung zukunftsweisender Rohstoffprojekte in Kanada.
Hemmnisse auf dem Weg zu einer erfolgreichen und nachhaltigen Partnerschaft
Allerdings bestehen dafür auf beiden Seiten Hürden, vor allem beim Transport und in der Infrastruktur: Beispielsweise ist der Transport von kanadischem Wasserstoff per Schiff mit hohen Kosten verbunden und momentan nicht wirtschaftlich. Auch für den Export von Liquefied Natural Gas (LNG) wäre der Bau von Pipelines zur kanadischen Ostküste notwendig, was allerdings auf Widerstand der lokalen Bevölkerung stößt. Im Bereich LNG bestehen darüber hinaus unterschiedliche Präferenzen: Während Kanada an langfristigen Lieferverträgen interessiert ist, möchte Deutschland kurzfristige Lieferverträge abschließen und seinen Gasverbrauch mittel- und langfristig eher reduzieren. Ein weiteres Hemmnis sowohl im Wasserstoff- und LNG- als auch im Rohstoffbereich ist zudem ein Mangel an Investitionen, die für das Ausschöpfen des Entwicklungspotenzials erforderlich wären. Dies führten die Experten auf Unsicherheiten, lange und komplexe Genehmigungsverfahren zurück. Hinzu kommen die Abstimmungen mit der indigenen Bevölkerung Kanadas zu solchen Entscheidungen, da sich viele kritische Rohstoffvorkommen in deren Gebieten befinden und damit die Lebensgrundlagen der Menschen vor Ort beeinflussen können. Deren Einbindung und die soziale Akzeptanz für Rohstoffprojekte seien notwendig und wichtig, um eine erfolgreiche und nachhaltige Partnerschaft zu etablieren bzw. zu vertiefen. Gleichzeitig ist der Zeitkorridor für die Realisierung neuer Projekte, die zur Erreichung der Klima- und Emissionsziele beitragen sollen, eng: In Kanada dauert es bis zu 18 Jahre von der Entdeckung eines Rohstoffvorkommens bis zur Förderung, in Europa zehn bis 15 Jahre.
Um diese Hürden abzubauen, müssen daher sowohl Kanada als auch Deutschland ihren Rechtsrahmen überprüfen und anpassen bzw. Genehmigungsverfahren beschleunigen. Dabei besteht die Herausforderung darin, Unsicherheiten abzubauen und Investitionen anzureizen, ohne dabei soziale Akzeptanz, Umweltschutzstandards und die Rechte Indigener zu vernachlässigen. Auch die Rolle des Staates und der Unternehmen bei Public Private Partnerships gehöre auf den Prüfstand bzw. müsse eventuell neu eruiert werden. Außerdem sollten Deutschland und Kanada auch in Bezug auf mögliche Zielkonflikte priorisieren: Hohe Kosten insbesondere von grünem Wasserstoff in Kombination mit mangelnder Finanzierung – bislang sind lediglich sieben Prozent der geplanten Wasserstoffprojekte finanziert – und gleichzeitig schwindendem finanziellen Spielraum der öffentlichen Hand führen dazu, dass womöglich auch schmerzhafte Entscheidungen getroffen werden müssen, um die Kosteneffizienz zu steigern. Hinsichtlich der Ressourcengewinnung muss zwischen globalen Emissionen und lokalen Umweltauswirkungen priorisiert werden, sofern beides nicht miteinander vereinbar sei. Mit Blick auf die sich zuspitzende geopolitische Lage müssen beide Länder darüber hinaus „aufwachen“, ihre Lieferketten bzw. Abnehmer diversifizieren und ihre gesamte Wertschöpfungskette überprüfen bzw. anpassen. Insbesondere in der Produktion für Batteriezellen und im Bereich der Weiterverarbeitung von Rohstoffen besteht noch großes Potenzial. Kanada sollte seine primär national geprägte Sichtweise überdenken bzw. den Blick von innen stärker nach außen weiten und die Dringlichkeit der geopolitischen Herausforderungen erkennen, während Deutschland andere Länder stärker zur Zusammenarbeit ermutigen sollte.
Die gemeinsame Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Atlantik-Brücke hat zusammenfassend gezeigt, dass die Deutsch-Kanadische Energiepartnerschaft große Potenziale, insbesondere im Wasserstoff- und Rohstoffbereich, bietet. Von der Vertiefung der deutsch-kanadischen Energie- und Rohstoffpartnerschaft profitieren beide Seiten. Um die bestehenden Hürden der Vertiefung zu überwinden, sind in beiden Ländern Anpassungen notwendig, die insbesondere Genehmigungsverfahren, den Abbau von Unsicherheiten zur Anreizung privater Finanzierung und die Steigerung der Sozialverträglichkeit betreffen. Diese geteilten Herausforderungen sollten Kanada und Deutschland gemeinsam angehen – und so zusammen zu mehr Resilienz schreiten.
Martin Schebesta war bis vor Kurzem Policy Advisor Energy and Resources bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Sabina Wölkner leitet die Abteilung Agenda 2030 in der Hauptabteilung Analyse und Beratung der Konrad-Adenauer-Stiftung.