Interviewreihe Zukunft der NATO

Pro 2-Prozent-Ziel der NATO: Wir müssen mehr Mittel bereitstellen

Teil VII unserer Serie: Henning Otte unterstützt das 2-Prozent-Ziel der NATO. In der Interviewreihe der Atlantik-Brücke zur Zukunft des Bündnisses begründet der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion seine Haltung mit Deutschlands gestiegener Verantwortung in einer konfliktbeladenen Welt.

Das sicherheitspolitische Umfeld, in dem unsere Bundeswehr agiert, hat sich grundlegend verändert. Russlands offensive Außenpolitik führt dazu, dass die Landes- und Bündnisverteidigung in unseren Planungen wieder einen neuen Stellenwert bekommen hat. Deutschland nutzt im Verhältnis zu Russland die gesamte Palette an diplomatischen Möglichkeiten. Diese werden flankiert durch die Rückversicherungsmaßnahmen in den östlichen NATO-Staaten, die auf den NATO-Gipfeln in Wales 2014 und Warschau 2016 beschlossen wurden. Teile hiervon sind Deutschlands Beitrag zur rotierenden Luftraumüberwachung im Baltikum, aber auch der Beitrag des Deutschen Heeres zur „Enhanced Forward Presence“, bei der sich die Bundeswehr seit Februar 2017 als Führungsnation für den multinationalen Gefechtsverband in Litauen engagiert. 2019 wird die Bundeswehr erneut Rahmennation bei der „Very High Readiness Joint Task Force (VJTF)“ Speerspitze der NATO sein, wofür die Vorbereitungen bereits begonnen haben.

Daneben ist Deutschland fortgesetzt in internationalen Einsätzen zur Krisenbewältigung aktiv. Die Konflikte der Welt kommen in Europa an. Wir erleben das nicht zuletzt in Form von terroristischen Anschlägen, auch hier in Deutschland. Immer deutlicher wird, dass wir bereit sein müssen, dorthin zu gehen, wo die Konflikte sind – um sie vor Ort zu entschärfen. Beispielhaft ist hier die Mission der Bundeswehr in Mali zu nennen. Die Stabilität in diesem Land hat eine Schlüsselfunktion für die gesamte Sahelregion. Der Einsatz der Marine im Mittelmeer zur Aufklärung von Schleppernetzwerken knüpft hieran an. Ein weiterer Baustein ist unsere Unterstützung im Kampf gegen den Terror des sogenannten Islamischen Staates in Syrien und im Irak.

USA nehmen alte Rolle als Ordnungsmacht immer weniger wahr

Die äußerst verschiedenartigen Einsätze verlangen von der Bundeswehr sehr unterschiedliche Fähigkeitsprofile und müssen im Unterschied zu früheren Dekaden alle gleichzeitig bewältigt werden. All diese Herausforderungen fallen in eine Zeit, in der sich abzeichnet, dass die USA ihre alte Rolle als Ordnungsmacht in vielen Teilen der Welt immer weniger wahrnehmen werden. Hierdurch entsteht für Deutschland eine direkte Notwendigkeit, selbst mehr für die eigene Sicherheit zu tun und noch mehr Verantwortung als bisher in der Welt zu übernehmen. In der Mitte unserer Partner müssen wir dabei mit starkem Beispiel vorangehen. Wir nehmen diese Aufgabe wahr, als Rahmennation im europäischen Pfeiler der NATO und als Anlehnungspartner der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die wir durch die PESCO-Initiative fortentwickeln.

Um unseren gewachsenen Aufgaben erfolgreich zu begegnen, müssen wir zukünftig bereit sein, für unsere Sicherheit mehr finanzielle Mittel bereitzustellen. Die in der NATO vereinbarten Fähigkeitsziele zum Schließen von Fähigkeitslücken und die damit verbundene Vereinbarung von 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigungsausgaben bis 2024 sind dabei die Zielmarke der deutschen Politik. Bereits 2002 hatte sich die damalige rot-grüne Bundesregierung erstmals mit der NATO hierauf verständigt. Vor dem Hintergrund der veränderten sicherheitspolitischen Lage hat diese Bündnisvereinbarung zuletzt noch einmal deutlich an Relevanz gewonnen. Auf dem NATO-Gipfel von Wales 2014 hat sich die gesamte Bundesregierung zum 2-Prozent-Ziel bekannt. Im ressortübergreifenden Weißbuch zur deutschen Sicherheitspolitik wurde diese Absicht bekräftigt. Gemeinsam hat die Allianz im Juni 2015 den Rahmen für die erforderlichen Kräftedispositive des politischen „Level of Ambition“ der NATO erarbeitet und als Planungsziele in die Verantwortung der einzelnen Nationen übergeben. Deutschland hat sich im Juni 2017 zur Erfüllung der gemeinsamen NATO-Planungen verpflichtet. Zu unseren Zusagen zu stehen, ist auch ein Ausdruck von Verlässlichkeit innerhalb des Bündnisses und der Verantwortung für unser Land.

Personeller und materieller Aufwuchs sollte schneller erfolgen

Klar ist, dass solch ein Aufwuchs des Verteidigungshaushaltes nur in realistischen Schritten erfolgen kann. Hierbei geht es in erster Linie darum, vorhandene Lücken in Personal und Ausrüstung zu füllen. Neben der notwendigen Modernisierung der Ausrüstung müssen sich unsere Streitkräfte für die Herausforderungen der zunehmenden Digitalisierung aufstellen. Die in der zurückliegenden Legislaturperiode eingeleiteten Trendwenden bei Material, Personal und Haushalt bilden für diese Veränderungen die richtigen Grundlagen. In Anbetracht der sicherheitspolitischen Lage muss der personelle und materielle Aufwuchs der Bundeswehr jedoch noch schneller als geplant erfolgen.

Eine weitere Stärkung der Verteidigungsausgaben ist dafür die Voraussetzung. Nur wenn wir bereit sind, mehr in unsere Sicherheit zu investieren, werden wir für künftige Herausforderungen gewappnet sein. Nur wer selbst aktiv ist und zu seinen Verpflichtungen steht, kann international auch Mitsprache einfordern und ist für seine Partner attraktiv, um gemeinsam Sicherheit zu gestalten. Richtig bleibt, dass wir Sicherheitspolitik nur vernetzt betrachten können. Um den außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen von heute gewachsen zu sein, müssen die Instrumente von Diplomatie und Wirtschaft, der Polizei, der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie der Entwicklungszusammenarbeit innerhalb eines gemeinsamen Ansatzes besser miteinander abgestimmt und koordiniert werden. Deshalb müssen wir parallel zur Erhöhung des Verteidigungshaushaltes auch die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit im Maßstab 1:1 erhöhen, bis bei den öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit, die sogenannte ODA-Quote von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreicht ist. Ein zentrales Element gemeinsamer Sicherheitsvorsorge bleiben jedoch leistungsfähige Streitkräfte. Deswegen ist es wichtig, zur Stärkung unserer Truppe weiterhin auf das 2-Prozent-Ziel der NATO hinzuarbeiten, damit notwendige Fähigkeiten zu jeder Zeit für die Verteidigung und Krisenbewältigung gewährleistet sind.

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