Europa-Wahlen

„Nationalistische Kräfte tun sich mit internationaler Zusammenarbeit immer schwer“

Botschafter Alexander Graf Lambsdorff, ehemaliger Vize-Präsident des Europäischen Parlaments, hält die Gefahr eines rechtspopulistischen transatlantischen Blocks für begrenzt. Im Kurzinterview nach den Europa-Wahlen spricht er auch über die Handelspolitik zwischen den USA und der EU und über die Kontinuität des Europäischen Parlaments.

Herr Botschafter Lambsdorff, wie groß ist die Gefahr, dass sich nach der Europa-Wahl ein rechtspopulistischer transatlantischer Block zwischen der AfD, weiteren europäischen Parteien aus dem rechtsextremen Lager und dem Trumpismus in den USA manifestiert?

Einen solchen gibt es gewissermaßen schon. Es ist kein Zufall, dass Steve Bannon bei den von Ihnen genannten Kräften ein gefragter Berater ist. Allerdings wäre ich vorsichtig mit dem Begriff eines „Blocks“. „Netzwerk“ trifft es eher, denn nationalistische Kräfte tun sich mit internationaler Zusammenarbeit früher oder später immer schwer. Alle Versuche, zum Beispiel in den dreißiger Jahren der Komintern eine „Faschistische, Internationale“ entgegenzusetzen, sind im Sande verlaufen. Auch im Europäischen Parlament kommt es immer wieder zu geradezu konvulsivischen Auseinandersetzungen, über die dann ganze Fraktionen zerbrechen.

Welche generellen Konsequenzen dürften die Wahlen zum Europäischen Parlament aller Voraussicht nach für die transatlantischen Beziehungen haben?

Das ist schwer abzuschätzen. Der Wahlerfolg der EVP und das schwache Abschneiden der Grünen spricht dafür, dass eine konstruktivere Handelspolitik gemacht werden könnte. Da die Liberalen in Frankreich Federn lassen mussten und die drittgrößte Fraktion damit etwas kleiner geworden ist, könnte sich in der Frage des Datenaustausches im kommerziellen Bereich mit den USA vielleicht etwas entwickeln.

Botschafter Alexander Graf Lambsdorff

In welchem politischen Themenfeld der Europäischen Union erwarten Sie die größten Auswirkungen von den Wahlen in Europa für das Verhältnis der EU zu den Vereinigten Staaten?

Diese Frage müsste man umdrehen: Was ist von den Wahlen in den USA für das Verhältnis zu Europa zu erwarten? Ich glaube, da liegt in diesem Jahr der Hase im Pfeffer. Die Wahl zum Europaparlament hat unter dem Strich weniger Verschiebung und mehr Kontinuität gebracht, als das viele Journalisten prognostiziert hatten. Ob das am 5. November in den USA genauso sein wird, steht in den Sternen.

Alexander Graf Lambsdorff ist Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Moskau und früherer Vize-Präsident des Europäischen Parlaments. Der FDP-Politiker ist Vorstandsmitglied der Atlantik-Brücke.

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