Persönliche Einblicke und offene Debatten
Rund 100 deutsche und amerikanische Young Leaders Alumni kamen zum diesjährigen Neujahrsempfang. In Königswinter ging es um weit mehr als die großen Herausforderungen für Europa und die USA und die anstehende Präsidentschaftswahl der Vereinigten Staaten: Der vertrauensvolle Austausch und die transatlantische Verbundenheit standen im Vordergrund des Treffens.
Von Robin Fehrenbach
Ein Signal der Offenheit, des Zusammenhalts und des Austauschs ist von den Young Leaders Alumni der Atlantik-Brücke während ihres Neujahrsempfangs in Königswinter ausgegangen. In der mehr als 140 Jahre alten Hirschburg kamen rund 100 Alumni des Programms für deutsche und amerikanische Führungskräfte zusammen. David Deißner, Geschäftsführer der Atlantik-Brücke, betonte in seiner Einführung, dass der Verein gerade in politisch angespannten Zeiten den Austausch mit den USA umso mehr intensivieren müsse.
Eine Podiumsdiskussion gab einen Ausblick auf transatlantische Herausforderungen 2020 in den Bereichen Außenpolitik und Handel. Das mit Vorstandsmitgliedern der Atlantik-Brücke besetzte Panel wurde von Julia von Cube, Journalistin beim WDR und Young Leader Alumna, moderiert. „Die amerikanische Außenpolitik wird zunehmend innenpolitisch konnotiert sein“, sagte Michael Werz, Senior Fellow des Center for American Progress. Darüber hinaus verändere sich die Demografie auf dramatische Art. Das demografische Zentrum der USA habe sich in den vergangenen 25 Jahren um jährlich 20 Meilen von Nordosten nach Südwesten verschoben.
Zwischen US-Präsidentschaftswahl und doppeltem Konflikt für den Westen
Friederike von Tiesenhausen Cave, Global Head of Public Affairs bei Bloomberg LP, sagte, sie rechne zu Beginn der neuen Dekade nicht mit einer Gelegenheit für eine Wiederbelebung der transatlantischen Beziehungen, da die in diesem Jahr anstehenden Präsidentschaftswahlen die US-Politik dominierten. Für den Bündnispartner Europa gehe es in erster Linie um Schadensbegrenzung. „Die Europäische Union sollte jedoch keine zu hohen Erwartungen haben. Ein Präsident der Demokraten wird nicht automatisch besser für Europa“, sagte sie.
Der stellvertretende Vorsitzende der Atlantik-Brücke, Michael Hüther, Direktor und Mitglied des Präsidiums des Instituts der deutschen Wirtschaft, sprach von einer doppelten Auseinandersetzung für den Westen. Der erste Konflikt trage sich außenpolitisch zwischen demokratisch verfassten Marktwirtschaften und autokratisch gelenkten Wirtschaftssystemen zu. Innerhalb demokratischer Gesellschaften spiele sich ein zweiter Kampf ab: Den Institutionen werde immer weniger vertraut. Hüther forderte: „Wir müssen die politische mit der sozial-ethischen Frage verbinden. Die demokratische Politik muss wieder stärker gestaltend den Rahmen für Wirtschaftssysteme setzen.“
Mit Unvorhersehbarkeit in den transatlantischen Handelsbeziehungen 2020 rechnet Anahita Thoms, Partner und Head of Germany’s International Trade Practice bei Baker & McKenzie. Sie sagte, dies werde die Handelspolitik in Richtung der EU prägen – insbesondere, nachdem das Phase-1-Abkommen zwischen den USA und China abgeschlossen sei. „Handelskriege kennen keine Gewinner“, sagte Thoms. Die seit mehr als zwei Jahren andauernden Handelskonflikte hätten für alle beteiligten Akteure negative Effekte.
Plädoyers für multilaterale, regelbasierte Ordnung in Außenpolitik und Handel
In der anschließenden Diskussion ging es um Versäumnisse der US-Sozial- und Wirtschaftspolitik, den Charakter von Handelsabkommen hinsichtlich ökologischer Aspekte und die Lage der deutschen Automobilindustrie. Die Zukunft der multilateralen, regelbasierten Ordnung in der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik unter dem Dach der Welthandelsorganisation (WTO) kam ebenfalls zur Sprache. Die Teilnehmer warfen darüber hinaus einen Blick auf die NATO-Übung „US Defender Europe 2020“ und die Ursachen für das stark gefährdete Nuklear-Abkommen mit dem Iran (JCPOA) und analysierten die Herausforderungen in Bezug auf das Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2. Die Folgen des Klimawandels und der klimaschutz- und sicherheitspolitische wie wirtschaftliche Umgang damit bildete einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt. Zum Abschluss der Paneldiskussion beleuchtete Michael Werz die Hintergründe und mögliche Entwicklung des Impeachments gegen US-Präsident Trump.
Nachdem die Alumni und Vorstände ihre Gespräche bei einem Spaziergang zum Drachenfels fortgesetzt hatten, sprach Generalkonsulin Fiona Evans. Die Diplomatin betonte, sie wolle kommunikative Echokammern in der Gesellschaft aufbrechen. Das oft negative USA-Bild in der Berichterstattung vernachlässige die vielen positiven Aspekte des transatlantischen Verhältnisses. So seien die USA der Staat mit den höchsten ausländischen Direktinvestitionen in Nordrhein-Westfalen. Außerdem lobte sie als Beispiel für funktionierende transatlantische Partnerschaft den US-Bundesstaat Minnesota. Als Teil des Projekts „Smart Climate Municipalities“ hat sich Minnesota dazu verpflichtet, von der etwa im Transport- und Verkehrssektor erzielten Energieeffizienz der Stadt Lüdenscheid für die Unternehmen und Städte des Bundesstaates im mittleren Westen zu lernen. „Wir müssen den riesigen globalen Herausforderungen nicht alleine begegnen“, betonte sie in der anschließenden Fragerunde.
„What’s your story?“
Moderiert von Journalist Cherno Jobatey sprachen vier junge Nachwuchsführungskräfte unter dem Leitgedanken „What’s your story?“ sehr offen über berufliche Projekte ebenso wie über ihren persönlichen Lebensweg. Karoline Klose thematisierte ihre Erfahrungen im Entwicklungshilfe-Programm für Haiti und in der Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze der UNO in zehn Ländern – darunter Sudan – innerhalb von zehn Jahren; Cristina Hernandez, Social Impact Fellow der Robert Bosch Stiftung, berichtete von ihrem Weg als Tochter mittelloser mexikanischer Einwanderer in Südkalifornien bis zur dekorierten Soldatin der U.S. Army, bis zur Harvard University, bis ins Weiße Haus; Cornelius Pollmer, Korrespondent der Süddeutschen Zeitung mit Sitz in Leipzig, erzählte von seinen Wanderungen auf den Spuren Theodor Fontanes und von außergewöhnlichen Begegnungen mit Menschen in der Mark Brandenburg für die Recherche zu seinem Buch „Heut ist irgendwie ein komischer Tag“; Finn Haensel, Gründer der Sanity Group und Vorstandsmitglied der Movinga GmbH, erläuterte seinen politischen Einsatz schon als 17-Jähriger in der Jungen Union bis heute als Unternehmer für das Legalisieren von Cannabis zur medizinischen Behandlung.
Schließlich läutete ein gemeinsames Dinner in der Hirschburg den festlichen Ausklang der Zusammenkunft der Alumni ein.
Die Atlantik-Brücke dankt der Vodafone GmbH für ihre großzügige Unterstützung dieser Veranstaltung.