Starker Rückhalt für Demokratie und Marktwirtschaft
Laura Silver, Senior Researcher am Pew Research Center, hat bei der Atlantik-Brücke neue Ergebnisse einer internationalen Umfrage zur öffentlichen Meinung in Europa 30 Jahre nach dem Ende der kommunistischen Regime in Osteuropa vorgestellt.
Sehen Sie hier die vollständigen Ergebnisse der Studie
30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs werden Demokratie und Marktwirtschaft in den post-kommunistischen Staaten überwiegend positiv bewertet. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie von Pew Research. Demnach trifft der Wechsel von Einparteiensystem und Planwirtschaft hin zu Mehrparteiensystem und Marktwirtschaft inzwischen in fast allen Ländern bei einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung auf Zustimmung. Die einzigen Ausnahmen sind Russland, die Ukraine und Bulgarien, wo die Veränderungen von nur ca. 40% bis respektive 55% gutgeheißen werden. In diesen Ländern herrscht zugleich eine deutliche geringe Zufriedenheit mit der wirtschaftlichen Situation, dem Lebensstandard und der eigenen Lebenssituation. Vor allem überwiegt bei den Menschen dieser Länder der Eindruck, dass vor allem Politiker und Unternehmer von den Veränderungen der 90er Jahre profitiert hätten und weniger die einfachen Bürger.
Laut der Studie ist in keinem anderen post-kommunistischen Land die Zufriedenheit mit dem politischen und wirtschaftlichen System sowie mit der persönlichen Situation so hoch wie in Polen. Dieses Ergebnis, so stellten die anwesenden Mitglieder in der anschließenden Diskussion fest, steht in starkem Kontrast zur Wahrnehmung des Landes in den deutschen Medien. Dort war zuletzt die Wiederwahl der als rechtspopulistisch geltenden PiS Partei Thema. Der PiS wird vorgeworfen, das demokratische System zu unterminieren, besonders seit der kontroversen Justizreform 2015.
Neben der Situation in den post-kommunistischen Staaten war auch die öffentliche Wahrnehmung von Demokratie und europäischem Zusammenhalt Thema der Studie, sowie der Optimismus der Bürgerinnen und Bürger in Hinblick auf die Zukunft. Auf die Frage, welche liberalen Werte besonders wichtig sind, sprach sich die Mehrheit für Gleichheit vor dem Gesetz, Gleichbehandlung der Geschlechter und Redefreiheit aus. Weniger selten genannt wurden Religionsfreiheit und, vor allem in Osteuropa, eine freie Zivilgesellschaft und frei agierende Oppositionsparteien.
Die Befragten hatten mehrheitlich großes Vertrauen, dass sie durch Wahlen das Regierungshandeln beeinflussen können. Mit Skepsis hingegen werden die Regierenden selbst betrachtet. Nur in Schweden und den Niederlanden zeigte sich eine knappe Mehrheit überzeugt, dass sich die gewählten Amtsträger wirklich für die Meinung der Bürger interessierten.
Die Europäische Union wird in ganz Europa von einer Mehrheit der Bevölkerung positiv wahrgenommen. Etwas gemischter ist das Bild in Bezug auf die EU–Mitgliedschaft des eigenen Landes und vor allem in Bezug auf die Frage, ob die europäische Integration die Wirtschaft des jeweiligen Landes gestärkt hat. Besonders in den von der EU-Schuldenkrise stark betroffenen Ländern gibt es zu diesen Punkten nur geringe Zustimmung.
Der Optimismus in Bezug auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung ist dementsprechend in Südeuropa am geringsten. Allgemein scheint das Nachkriegsnarrativ, dass es den eigenen Kindern einmal wirtschaftlich besser gehen wird, in ganz Europa deutlich weniger zu gelten. Selbst in Nord- und Osteuropa beantworten kaum mehr als die Hälfte der Bürger die Frage danach positiv. Große Skepsis herrscht zudem, dass sich die wirtschaftliche Ungleichheit in Zukunft verringern wird, sowie dass das politische System des eigenen Landes noch richtig funktioniert. Mit Optimismus blicken die Menschen jedoch auf die Kultur des eigenen Landes und auf die Beziehungen mit den anderen Nationen Europas.
Für die Studie wurden 18,979 Bürgerinnen und Bürger in 17 Ländern im Zeitraum zwischen dem 13. Mai und 12. August 2019 befragt. Die Befragungen erfolgten entweder telefonisch oder persönlich. Die Stichproben waren national repräsentativ. Die Fehlertoleranz lag zwischen ±2.9% und ±4.7%. Das Pew Research Center wurde 1996 gegründet, es hat seinen Sitz in Washington, D.C. Die überparteiliche Non-Profit-Organisation finanziert sich zu einem Großteil aus den Pew Charitable Trusts. Sie gibt keine Empfehlungen an Politik und Wirtschaft. Der internationale Forschungszweig besteht seit 2001. Pew führt Umfragen in 108 Ländern durch.