Studienreise für Sozialkundelehrer 2015
Fünfzehn amerikanische Sozialkunde-, Deutsch- und Geschichtslehrer waren auf Einladung der Atlantik-Brücke vom 14. bis 21. Juni auf einer Studienreise in Deutschland. Die Reise führte die zehn Lehrerinnen und fünf Lehrer aus Pennsylvania von Stuttgart über Dresden nach Leipzig und Berlin.
Einmal jährlich lädt die Atlantik-Brücke Gruppen amerikanischer Lehrer aus unterschiedlichen Bundesstaaten der USA nach Deutschland ein, um ihnen ein umfassendes Bild vom heutigen Deutschland zu vermitteln. Die Lehrer besuchen deutsche Schulen, Betriebe sowie Institutionen, gewinnen eigene Eindrücke und erhalten durch Gespräche und Diskussionen Informationen aus erster Hand. Durch den Besuch von historisch bedeutenden Orten und persönlichen Gesprächen mit Zeitzeugen wird auch das Verständnis der deutschen Geschichte gestärkt. Ihre Erfahrungen und Eindrücke nehmen die Lehrer mit zurück in ihre Klassenzimmer und können ihren Schülern so ein lebendiges Bild von Deutschland vermitteln.
Das Netzwerk der Atlantik-Brücke ist ein wichtiger Bestandteil der Reise. So ermöglichen die Mitglieder nicht nur ein außergewöhnliches inhaltliches Programm für die Lehrer, sondern laden diese auch zu sich nach Hause ein. In privater Atmosphäre erhalten die Lehrer Antworten auf ihre Fragen zu Deutschland und den Deutschen. In diesem Jahr lud unser Mitglied Harald Leibrecht zu einem BBQ auf Schloss Ingersheim ein. Das historische Schloss beeindruckte Teilnehmer zutiefst. In Dresden öffnete unser Mitglied Karsten Uhlmann die Tore zur Feldschlösschen Brauerei und führte die Lehrer in die deutsche Braukunst ein. Beim anschließenden Abendessen erzählte Karsten Uhlmann den aufmerksamen Zuhörern von seinen Erfahrungen im Alltag der DDR und vom Mauerfall.
Das Interesse der Lehrer galt insbesondere dem deutschen Bildungssystem, ganz besonders der dualen Berufsausbildung. In Marbach am Neckar in der Nähe von Stuttgart wurde gleich zu Beginn der Reise das Friedrich-Schiller-Gymnasium besucht. Nach einer ausführlichen Erläuterung zum deutschen Schulsystem durch den Schuldirektor Christof Martin wurde auch über alltägliche Fragen, wie beispielsweise die Regeln für Handys im Unterricht, gesprochen. Anschließend gingen die Lehrer in die Klassenräume, verfolgten den Unterricht und sprachen mit den Schülern. Auch in dem Berufsschulzentrum für Elektrotechnik in Dresden konnten die Lehrer am Unterricht teilnehmen und den Auszubildenden über die Schulter schauen. In beiden Bildungsinstituten fanden lebendige Diskussionen mit den Schülern und Lehrern statt. Die Schüler selbst freuten sich ebenfalls über den ungewöhnlichen Besuch. So überreichten die Kinder der Klasse 6b des Friedrich-Schiller-Gymnasiums der Gruppe ihre E-Mail-Adressen für Brieffreundschaften mit Schülern aus Pennsylvania. Deutschlehrerin Katie Weisser von der Central Dauphin East High School in Harrisburg, PA stellte erfreut fest: „The students have such an enganged Weltanschauung! They desire to be involved!“
Neben dem Bildungssystem stand auch die Beschäftigung mit der deutschen Wirtschaft auf dem Plan. Am Stammsitz der Daimler AG in Stuttgart erfuhren die Lehrer von Produktstrategien des Unternehmens in einer globalisierten Welt. Thematisiert wurde auch das geplante transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP), denn gerade die Automobilindustrie kann mit anschaulichen Beispielen, etwa den unterschiedlichen Farben von Rückblinkern, die potenziellen Vorteile des Abkommens aufzeigen. In Leipzig lud Michael Heinz die Gruppe zu Bell Flavors & Fragrances ein und sprach über seine Erfahrungen als ein seit vielen Jahren in Deutschland lebender Amerikaner. Beim Besuch der Firma Rocket Internet in Berlin erhielten die Lehrer durch den Launch Manager Martin Bell Einblicke in die Berliner Start-up Szene. Dass es auch in Deutschland eine Art Silicon Valley gibt, überraschte die Teilnehmer. Ebenfalls in Berlin kamen die Lehrer zum Sitz der Atlantik-Brücke für einen “Energy-Talk“ mit Atlantik-Brücke Mitglied Dr. Wolfgang Dierker von General Electric Germany, Dr. Joachim Lang von der E.ON AG sowie Marie-Christine von Hahn, welche die Gesprächsrunde moderierte. Das fundierte Wissen der Lehrer in Sachen Energie überraschte die Redner und ermöglichte eine kritische und konstruktive Auseinandersetzung mit der deutschen Energiewende und dem Fracking in den USA.
Die Lehrer setzten sich ebenfalls ausführlich mit der politischen Lage in Deutschland und Europa auseinander. In den United States European Command Headquarters (EUCOM) sprach Ambassador Patrick Moon über die gegenwärtigen Herausforderungen im Osten und Süden Europas und hob die Bedeutung der transatlantischen Zusammenarbeit hervor. Anschließend traf sich die Gruppe mit Alexander Bonde, dem Baden-Württembergischen Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, zu einem gemeinsamen Mittagessen mit Maultaschen und Flammkuchen. Der Alumnus des Young Leaders-Programms der Atlantik-Brücke erklärte unter anderem die Unterschiede im Verbraucherschutz zwischen den USA und der EU und veranschaulichte so die Herausforderungen bei den TTIP-Verhandlungen.
In der Hauptstadt angekommen besuchte die Gruppe den Deutschen Bundestag und tauchte sogleich in die Berliner Republik ein. Bei einer Diskussionsrunde mit unseren Mitgliedern Andreas Lämmel, MdB (CDU) und Stefan Liebich, MdB (Die Linke) sprach die Gruppe über die politischen und gesellschaftlichen Themen, die Deutschland aktuell bewegen. Die sachliche und parteiübergreifende Diskussion beeindruckte nachhaltig. Rick Hadley von der Kutztown Area Middle School in Kutztown, PA, stellte fest: „The transparency and comradery among the leadership was very refreshing. It does not work that way in America at all.” Weiter ging es zum Auswärtigen Amt, wo der Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit Jürgen Hardt, MdB (CDU) die Teilnehmer zu einem Mittagessen im Internationalen Club traf. Jürgen Hardt schilderte die komplexen Herausforderungen für Deutschland im Ukraine-Konflikt. Auch die Rolle Deutschlands bei einer Lösung der Schuldenprobleme Griechenlands wurde von den Lehrern mit großem Interesse hinterfragt. Der ARD Korrespondent und Atlantik-Brücke Young Leader Arnd Henze verschaffte der Gruppe am darauffolgenden Tag einen Überblick über die Arbeitsweise der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und seine Erfahrungen mit amerikanischen Kollegen.
Von großem Interesse für die Lehrer war auch die deutsche Geschichte. Bei dem Besuch der Gedenkstätte Sachsenhausen setzte sich die Gruppe mit dem wohl dunkelsten Kapitel der deutschen Vergangenheit auseinander. Thomas Sally von der Kutztown High School in Kutztown, PA, erinnert sich: „The visit to the Memorial and Museum Sachsenhausen was the most powerful experience of the trip“. Mit weiteren Besuchen bei der Dresdner Frauenkirche, dem Mauermuseum in Berlin sowie durch Stadttouren durch Berlin und Stuttgart wurden weitere Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte veranschaulicht. Florian Wahl, Landestagabgeordneter im Baden-Württemberg (SPD) und Young Leader, nahm die Lehrer mit auf eine ganz persönliche Tour durch Stuttgart.
Die Studienreise endete mit einem heiteren Abschiedsessen in Berlin. Am frühen Sonntagmorgen machten sich die Lehrer wieder auf den Weg nach Pennsylvania. Schon am Flughafen wurden fleißig Bilder und Erlebtes ausgetauscht. Auf die schönen und unvergesslichen Erinnerungen folgte schon bald die Vorfreude darauf, den eigenen Schülern von der Reise durch Deutschland zu berichten. Lisa Shucker von der Lebanon Senior High School in Lebanon, PA, bedankte sich und fasste zusammen: „I have images and first-hand accounts that are invaluable to my classrooms and to my life.” Auch von ihrem Kollegen Andrew Hull von der Palmyra Area High School in Palmyra, PA, bekam die Atlantik-Brücke einen persönlichen Dankesbrief mit folgendem Bekenntnis: „When I was younger, I was told that the world is only as big as a person can see. Through this trip, you have opened my eyes in a way that words cannot properly articulate. I am forever grateful for Atlantik-Brücke coming into my life and for being accepted into the program”.