„Trump macht Politik, als würde er ein Unternehmen führen“
Interview mit Professor Dr. Christian Lammert
Unmittelbar nach der Amtsübergabe an Präsident Donald Trump haben wir mit Professor Dr. Christian Lammert über die Antrittsrede des neuen US-Präsidenten gesprochen und darüber, was die USA und die restliche Welt in den kommenden vier Jahren zu erwarten haben.
Die Inauguration des amerikanischen Präsidenten ist eine Zeremonie des friedlichen Regierungswechsels, ein Festakt, der nach dem Wahlkampf wieder die Einheit unterstreichen soll. Bei der Amtsübergabe an Donald Trump war jedoch zu sehen, dass viele Zuschauerplätze leer geblieben sind; es sind viele – auch prominente – Demokraten nicht zur Inauguration gekommen. Glauben Sie, dass Präsident Trump die amerikanische Gesellschaft weiter spalten wird, statt sie zu einigen?
Ja, zumindest, wenn er das umsetzt, was er in seiner Amtsantrittsrede angekündigt hat. Das war keine Rede, die versucht, Brücken zu bauen. Das war keine Rede, die versucht, das zu kitten, was er im Wahlkampf aus strategischen Gründen gemacht hat: Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufzuwiegeln. In den letzten 40 Jahren ging es, wenn ein neuer Präsident das Amt übernahm, um unterschiedliche politische Vorstellungen. Damit konnten sich viele Leute abfinden. Aber mit Donald Trump kommt ein neues Element dazu: die Art und Weise, wie er kommuniziert. Er versucht nicht, das Land zu einen, sondern entdeckt überall Antagonismen. Das wird dieses Land weiter spalten. Daran, die Konfliktlinien wieder zu schließen, ist auch Obama gescheitert. Das hat man ihm vorgeworfen, aber er hat wenigstens auf einer rhetorischen Ebene versucht, Brücken zu bauen. Selbst das versucht Trump nicht. Er baut Mauern, keine Brücken.
Gehen Sie davon aus, dass die Republikaner sich hinter Trump stellen werden, nun, da er Präsident ist?
Ja, einige schon. Nachdem die Wahlen gewonnen wurden für die Republikaner – sie haben ja auch für beide Kammern im Kongress ihre Mehrheiten verteidigen können –, muss sich Trump allerdings mit der Krise der republikanischen Partei auseinandersetzen. Ich glaube, das kann er nicht, weil er gar nicht versteht, was die Krise der republikanischen Partei ist. Die republikanische Partei steht vor dem Problem, dass sie sich auf eine Wählerkoalition stützt, mit der man in Zukunft keine Wahlen mehr gewinnen kann. Das ist die ländliche weiße Bevölkerung, und wenn die republikanische Partei nicht auf neue Wählergruppen zugeht – und das kann man nur mit einem neuen politischen Programm machen –, dann wird sie Schwierigkeiten haben, in Zukunft erfolgreich zu sein. Wenn man als Präsident eine Partei führt, die so von Konflikten durchzogen ist, bekommt man nicht die volle Unterstützung. Das heißt, Trump muss sich jetzt immer mit einem Flügel der republikanischen Partei auseinandersetzen, der besonders stark im Senat ist und der politische Positionen vertritt, die konträr sind zu dem, was er eigentlich verspricht oder will. Da wird er Schwierigkeiten kriegen.
Trump hat im Wahlkampf und auch in seiner Antrittsrede wieder stark betont, dass er sich für die „forgotten men and women“ einsetzen wird – eine Formulierung, die er von Franklin Roosevelt übernommen hat und die keine typisch republikanische Rhetorik ist. Inwiefern glauben Sie, wird es eine große Enttäuschung gerade dieser „forgotten men and women“ geben, wenn Trump eine Weile im Amt ist?
Ich glaube, es wird eine große Enttäuschung geben. Und Sie haben schon zu Recht darauf verwiesen, dass Trump eigentlich gar kein Republikaner ist. Er war in den 90er Jahren eng mit den Demokraten verbunden. Er hat einfach keinen ideologischen Hintergrund. Er denkt nicht in diesen politisch-ideologischen Kategorien. Mit sehr geschickten populistischen Strategien hat er im Wahlkampf das Protest- und Frustpotenzial in der amerikanischen Gesellschaft mobilisiert und den Leuten Hoffnungen gemacht, dass er durch seine Politik, die er leider nie konkretisiert, Jobs zurückholen kann und die amerikanische Arbeiterklasse stärken wird. Nie spricht er an, dass Globalisierung und Automatisierung diese Art von Jobs teilweise einfach obsolet machen. Wir sehen das jetzt auch, wenn Automobilfirmen oder andere industrielle Betriebe zwar sagen, sie holen die Jobs wieder aus dem Ausland zurück in die USA, diese Jobs dann aber nicht mit Menschen besetzen, sondern mit Maschinen und Computern. Die Leute werden irgendwann realisieren, dass sie im Wahlkampf belogen worden sind. Dass man mit ihnen genau dasselbe macht, was sie dem politischen Establishment in den letzten 20 Jahren vorgeworfen haben: ihre Interessen nicht richtig wahrzunehmen. Das Kabinett, das Trump mit der höchsten Milliardärs- und Millionärsdichte in der US-Geschichte zusammengestellt hat, wird die Wählerschaft von Trump enttäuschen, entfremden und frustrieren. Dann können eventuell noch radikalere Kandidaten erfolgreich sein oder die Leute wenden sich total von der Politik ab und werden apathisch. Beides ist keine Option für die amerikanische Demokratie.
Den Gedanken „Amerika gegen den Rest der Welt“, gerade was das Wirtschaftliche angeht, hat Trump ja sehr stark gemacht in seiner Rede. Diese Perspektive spiegelt sich auch in seinen Gedanken zur Sicherheitspolitik wider: “For many decades, we’ve (…) subsidized the armies of other countries while allowing for the very sad depletion of our military; we’ve defended other nation’s borders while refusing to defend our own.” Was glauben Sie, wie wird die amerikanische Außenpolitik in den nächsten Jahren aussehen?
Ich hoffe nicht, dass er das durchsetzen kann; dass dieser Gedanke, dass Außen-, Sicherheits- und Handelspolitik ein Nullsummenspiel sind, in dem eine Seite nur gewinnt, wenn die andere verliert, nicht mehrheitsfähig ist in der republikanischen Partei. Hier haben sich auch schon große Widerstände gezeigt. Und hier zeigen sich auch zum Teil schon große Unterschiede von dem, was Trump verkündet und dem, was seine Kabinettskandidaten sagen. Es hat wahrscheinlich auch etwas damit zu tun, dass Trump immer versucht, Politik zu machen, als würde er ein Unternehmen führen. Aber die zutiefst ökonomisch vernetzte, globalisierte Welt funktioniert anders. Hier setzt sich bei ihm hoffentlich die Erkenntnis durch, beziehungsweise wird von außen massiv an ihn herangetragen, dass die Kategorie des Nullsummenspiels, die im nationalistischen Zeitalter des 19. Jahrhunderts dominant war, kein Projekt ist für das 21. Jahrhundert. Und wenn sich die USA hier herausziehen, dann sind sie der Verlierer der Globalisierung. Wir sehen jetzt schon, dass die Chinesen versuchen, im asiatischen und pazifischen Raum einen Handelsraum zu schaffen, in dem die USA nicht mehr drin sind, weil sie sich aus diesen Verhandlungen ausklinken werden. Auch Europa wird sich vielleicht stärker abschotten gegen die USA. Davon können die USA nicht profitieren. Das wird deutliche negative Konsequenzen für die ökonomische Entwicklung haben und damit auch für den Arbeitsmarkt.
Welche sicherheitspolitischen Konsequenzen wird das haben?
Auch das weiß man nicht. Was er angekündigt hat – oder seine Äußerungen – über die NATO, dass sie nicht mehr zeitgemäß ist, dass sie eine neue Rolle einnimmt, das kann man ja alles diskutieren. Aber die Art und Weise, wie er das momentan macht, verunsichert und wird zu Spannungen führen, weil man nicht genau weiß, ob die USA noch als Bündnispartner zur Verfügung stehen. Er hat offen gesagt, dass er Artikel 5, also die Beistandsklausel, nicht ernst nimmt. Putin hat auf der Krim und in der Ukraine schon einmal gezeigt, dass er in Machtkategorien des 19. Jahrhunderts denkt, das ist eine Einladung, diese Politik weiterzumachen. Wir haben gesehen, dass die Obama-Administration als einen ihrer letzten Schritte amerikanische Truppen in osteuropäische Länder geschickt hat, natürlich auch um ein Signal zu senden, dass die Amerikaner noch zu ihren NATO-Verbündeten stehen. Für diese Politik gab es und gibt es auch hoffentlich immer noch einen breiten Konsens im Kongress, auch zwischen Demokraten und Republikanern. Ich hoffe, dass dieser Konsens gerade auch im Senat groß genug ist.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Professor Dr. Christian Lammert ist Professor für Nordamerikanische Politik am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin.