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Unter den Flügeln des Adlers

Neun Monate am sichersten Ort von Kabul

von Friedrich Schröder

Man sucht dieser Tage nach jedem Strohhalm, der sich im transatlantischen Verhältnis bietet. Zahlreiche Brücken wurden in den letzten Monaten ohne Not abgebrochen, viele Klischees über die jeweils andere Seite bereitwillig bedient. Dabei übersehen wir oft, dass Administrationen kommen und gehen, die Ebene darunter aber besser trägt, als viele denken.

Beispiel Afghanistan: Hier sitzen Deutschland und die USA seit über einer halben Generation gemeinsam in einem Boot, tun alles Menschenmögliche, um das Land am Hindukusch zu stabilisieren – inzwischen als die beiden größten Geber und Truppensteller. Viele andere Staaten haben bereits die Segel gestrichen, den politisch schwierigen Einsatz beendet, sich anderen regionalen Schwerpunkten zugewandt. Nicht so Amerika und wir.

Partner in einer diplomatischen Extremsituation

Dass diese Partnerschaft nicht nur in mühsamem Fahrwasser, sondern auch in wirklich außergewöhnlichen Extremsituationen hält, haben die Monate September 2017 bis Mai 2018 ganz konkret gezeigt: Während dieser Zeit gewährte uns die US-Botschaft in Kabul Unterschlupf, während unsere eigene Liegenschaft nach dem verheerenden Bombenanschlag vom 31. Mai 2017 erst notdürftig wieder instandgesetzt werden musste. Das haben die amerikanischen Kolleginnen und Kollegen nicht unter Druck und mit sinisteren Hintergedanken, sondern aus eigenem Antrieb und mit simpelster Gastfreundschaft getan. Hiervon sei in diesen Zeiten eines politisch stürmischen Atlantiks kurz berichtet.

Auf der Suche nach „sicheren Betten“

Alles begann mit der Suche nach „sicheren Betten“: Nachdem der Beschluss feststand, dass der Betrieb der Botschaft Kabul trotz – oder gerade wegen – des Anschlags vom 31.5. weiterlaufen und ein kleines Kernteam die Arbeit wiederaufnehmen sollte, stand die Logistik im Mittelpunkt aller Überlegungen. Wo und wie konnte man so ein Team denn eigentlich unterbringen? Unsere eigene Liegenschaft schied sofort aus: zu unsicher, aber auch einfach zu stark zerstört. Ohne Sicherung, Ertüchtigung und Wiederaufbau lief da zunächst gar nichts. Unterbringung in anderen Botschaften von EU-Partnern: ebenfalls nicht den (angemessen hohen) deutschen Sicherheitsstandards entsprechend, da vielfach eben nicht in der Kabuler „Green Zone“ gelegen. In diesem Moment kam das Team der US-Botschaft ins Spiel. Ohne mit der Wimper zu zucken, bot der damalige Leiter an, uns in seiner mehrere tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfassenden „Kleinstadt“ zu beherbergen – quasi „unter den Flügeln des Adlers“.

Deutsch-amerikanische Zusammenarbeit wie in besten Zeiten

Was sich anschloss, waren neun Monate der deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit, wie man sie in dieser Form auch im Auswärtigen Amt nur selten erlebt: Wir waren sozusagen „embedded“, arbeiteten tagsüber bis meist spätabends in unseren CHUs (Containerized Housing Unit), nutzten zwischendurch die hervorragenden US-Großkantinen und Sportmöglichkeiten, gingen freitags auf ein Bier in den Pub „Duck and Cover“ und knüpften freundschaftliche Bande zu unseren US-Counterparts. Das galt durchweg für alle Ressorts, Laufbahnen, dienstlichen Ebenen und Altersgruppen. Wohl nie zuvor war eine deutsche Botschaft so eng an eine US-Vertretung angekoppelt.

Transatlantischer Lerneffekt

Ich habe in diesen Monaten in Kabul trotz mehrjähriger Schul- und Studienaufenthalte in den USA unglaublich viel über die nach wie vor unverhofft belastbaren Bande zwischen unseren beiden Ländern gelernt. Vom eigentlich internen politischen Briefing, zu dem man kurzerhand dazu geladen wurde über das gemeinsam organisierte Oktoberfest bis zur Zusammenarbeit in Fragen des Rechts- und Konsularwesens: Wir konnten uns stets auf die US-amerikanischen Freunde in Kabul verlassen. Das hat mir persönlich viel Zuversicht gegeben, dass unsere transatlantischen Beziehungen auf der langfristig entscheidenden Arbeitsebene nach wie vor Zukunft haben – allen Unkenrufen zum Trotz.

Friedrich Schröder ist Botschaftsrat an der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen in New York. 2017/2018 war er an der Deutschen Botschaft in Kabul. Er ist Young Leader-Alumnus der Atlantik-Brücke.

Dieser Text erschien zuerst in der Mitarbeiterzeitschrift des Auswärtigen Amtes „InternAA“.

 

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