Atlantik-Brücke Dossier

US-Handelspolitik zwischen Eskalation und Dialog

Problemstellung - Positionen - Konsequenzen

»US-Handelspolitik zwischen Eskalation und Dialog«
Problemstellung – Positionen – Konsequenzen
Berlin, 2018
7 Seiten
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Die Handelspolitik der ausländischen Partner sei „nicht fair“, zerstöre Arbeitsplätze und schade der amerikanischen Wirtschaft. Diese Analyse ist nicht erst seit Beginn seiner Amtszeit eine der zentralen Botschaften von US-Präsident Donald Trump. Mit dem Verweis auf eine Benachteiligung der USA im internationalen Warenverkehr und eine Bedrohung der nationalen Sicherheit legte Trump die Grundlage für eine Handelspolitik des Protektionismus, die sich inzwischen in einer Reihe zum Teil drastischer handelspolitischer Maßnahmen manifestiert. Neu erhobene Importzölle auf Güter insbesondere aus der Europäischen Union (EU) und der Volksrepublik China stehen hier im Zentrum. Die kürzlich vorgebrachte Androhung des Präsidenten, aus der Welthandelsorganisation (WTO) auszutreten, zeigt dabei einmal mehr die Bereitschaft der Administration, die Interessen der USA grundsätzlich auch gegen internationale Handelsregeln durchzusetzen. Das vorliegende Dossier zeichnet die bisherige Entwicklung des Handelsstreits nach, fasst zentrale Problemstellungen sowie die Positionen der beteiligten Nationen zusammen und liefert einen Ausblick auf die möglichen Konsequenzen der amerikanischen Handelspolitik.

ZÖLLE AUF STAHL UND ALUMINIUM

Eine von Präsident Trump in Auftrag gegebene Liste aller Länder, die zum Handelsbilanzdefizit der USA beitragen, weist absteigend folgende drei Exportnationen auf: China, Japan, Deutschland. Demnach lag das Handelsbilanzdefizit der USA mit China 2017 bei 375 Milliarden Dollar. Insgesamt lag das US-Handelsbilanzdefizit bei 566 Milliarden Dollar im Jahr 2017. Im selben Jahr importierten die Vereinigten Staaten Güter im Wert von 153 Milliarden Dollar mehr aus der EU, als sie dorthin exportierten. Mit Verweis auf diese Zahlen begründete die Administration ihre handelspolitischen Aktionen wie vor allem Importzölle auf Stahl und Aluminium.

Im Anschluss daran schlug US-Handelsminister Wilbur Ross dem Präsidenten drei Optionen vor, um die Importe von Stahl deutlich zu verringern: erstens ein genereller Zoll auf Stahleinfuhren aus allen Ländern, der bei mindestens 24 Prozent liegt; zweitens Zölle in Höhe von 53 Prozent auf Importe aus zwölf Ländern, darunter China, Russland, Indien sowie die Türkei – alle übrigen Staaten müssen ihre Exporte auf dem Niveau von 2017 per Quoten-Regelung einfrieren; drittens keine Zölle, dafür jedoch ein Einfrieren der Exporte aller Länder bei 63 Prozent des Niveaus von 2017. Am 1. März 2018 entschied sich Trump öffentlich für die erste Option.

In welchem Ausmaß greifen die US-Importzölle?

In seinem Statement teilte der Präsident mit, dass die USA Importzölle auf Stahl in Höhe von 25 Prozent und auf Aluminium in Höhe von 10 Prozent erheben würden. Am 8. März 2018 setzte Trump diese per Dekret in die Tat um – mit einer Wirksamkeit innerhalb von 15 Tagen, wobei die beiden Partner des North American Free Trade Agreement (NAFTA) – Kanada und Mexiko –, zudem Brasilien, Argentinien, Australien und Südkorea zunächst von den Zöllen ausgenommen wurden. Dies galt auch für die EU, und zwar zunächst vorläufig bis zum 1. Mai 2018 und einmal verlängert bis zum 1. Juni 2018. Schließlich gab Wirtschaftsminister Ross am 31. Mai 2018 bekannt, dass Unternehmen aus EU-Mitgliedsländern von nun an Zölle auf Stahl- und Aluminiumexporte in die USA zahlen müssten.

Wie wird die Begründung für die Importzölle in Europa aufgefasst?

Wenn die Regierung der Vereinigten Staaten Maßnahmen zur Einfuhrbeschränkung auf bestimmte Produkte ohne Beteiligung des Kongresses erlassen will, muss dies aus Gründen der nationalen Sicherheit erfolgen. Verankert ist diese Klausel im Abschnitt 232 des Trade Expansion Act von 1962. Eine „Gefahr für die nationale Sicherheit“ dient der Administration von Präsident Trump bis heute als Begründung für die neu erhobenen Importzölle auf Stahl und Aluminium.

Der EU-Kommission erscheint diese Art der Legitimation der Zölle dagegen nicht plausibel. Daher beantragte sie den Start eines Schlichtungsverfahrens vor der WTO, dessen erste Phase grundsätzlich aus Beratungen der Streitparteien besteht. Auch China legte Klage bei der WTO gegen die Zölle der USA ein – ebenso Kanada, Japan und Russland. Die EU-Kommission argumentiert damit, dass die US-Zölle nicht WTO-kompatibel seien. Diese seien nicht mit den WTO-Regeln, insbesondere mit denen des General Agreement on Tariffs and Trade (GATT), vereinbar. Beim bisher letzten Streit über Zölle auf Stahl zwischen den USA und der EU von 2002 an hatte die Europäische Union durch die Welthandelsorganisation Recht bekommen. US-Präsident George W. Bush hob die Zölle danach wieder auf.

Man kann jedoch derzeit keine eindeutige Antwort darauf geben, ob die Importzölle auf Stahl und Aluminium WTO-konform sind. Dies hängt auch damit zusammen, dass es bei der WTO hierzu keine einschlägige Rechtsprechung gibt. Denn bisher hat kein Land ein besonderes Interesse daran gehabt, den Aspekt der nationalen Sicherheit bei der WTO überprüfen zu lassen, da sich alle Mitglieder den handelspolitischen Freiraum dieses Arguments vorbehalten wollen. In dem Moment, in dem ein WTO-Gremium hier eine Entscheidung fällt, liegt ein Präzedenzfall vor, der die Staaten in ihrem zukünftigen Argumentations- und Handlungsspielraum einschränken könnte.

Es gibt bei der WTO zu Importzöllen auf Stahl und Aluminium aus Gründen der nationalen Sicherheit keine einschlägige Rechtsprechung.

Die entscheidende Frage ist, ob der aktuelle Fall vor der WTO rechtlich überprüfbar ist. Die EU-Kommission, aber auch die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft vertreten die Position, dass die amerikanischen Zölle auf Stahl und Aluminium zwar mit einer Gefährdung der nationalen Sicherheit begründet werden, es sich aber de facto um verschleierte Schutzmaßnahmen gemäß Artikel 19 des GATT, sogenannte safeguards in disguise, handelt. Deshalb kamen sie zu dem Schluss, dies vor der WTO angreifen zu können.

Die USA vertreten hingegen den Standpunkt, dass die Begründung von Zöllen mit nationaler Sicherheit in der freien Entscheidung des jeweiligen WTO-Mitgliedsstaates liegt und es deshalb keine Möglichkeit gibt, diesen Schritt von der WTO überprüfen zu lassen. Die EU verlangt indes, dass die Frage der nationalen Sicherheit anhand objektiver Kriterien vor der WTO überprüfbar sein muss. Ein hartes Kriterium wäre vor allem der Anteil des Verbrauchs von Stahl und Aluminium des amerikanischen Verteidigungssektors in Relation zur gesamten inländischen Produktion.

Experten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) rechnen damit, dass die erste Klagerunde circa anderthalb Jahre in Anspruch nehmen wird. Wer auch immer verliert, wird mit sehr großer Wahrscheinlichkeit in Berufung gehen, was weitere anderthalb Jahre dauern dürfte. Gleichzeitig blockieren die USA die Nachbesetzung von Posten im Appellate Body der WTO, also der Revisionsinstanz. Ab Ende September dieses Jahres wird dieses Gremium nur noch aus drei Richtern bestehen; dies ist das vorgeschriebene Minimum. Bereits mit Beginn des Sommers 2019 wäre der Appellate Body nicht mehr verhandlungs- und spruchfähig. Die Funktionsfähigkeit der WTO ist in diesem Punkt also erheblich in Frage gestellt.

Welche Folgen haben die Zölle für den transatlantischen Wirtschaftsraum?

Am 22. Juni 2018 ging die EU zusätzlich zum WTO-Verfahren anderweitig gegen die handelspolitischen Schritte der USA vor. Sie verhängte, eher im Sinne eines symbolischen Schrittes, Gegenzölle auf US-Produkte in der Regel von 25 Prozent im Umfang von 2,8 Milliarden Euro. Die EU-Kommission sieht diese Reaktion als angemessen und gemäßigt an. Zu den Waren zählen Bourbon-Whiskey, Motorräder von Harley-Davidson, Jeans und Agrarprodukte wie Kartoffeln, Tomaten, Cranberrys, Tabak, Orangensaft und Erdnussbutter. Eine entsprechende Liste hatte die Kommission bei der WTO vorgelegt.

Der Fall Harley-Davidson sticht heraus und könnte exemplarisch für andere Unternehmen werden, die unter dem doppelten Zollregime leiden. Der Motorradhersteller mit Hauptsitz in Milwaukee, Wisconsin verlagerte einerseits aufgrund der Zölle auf Stahl und Aluminium und andererseits aufgrund der Gegenzölle der EU seine Produktion verstärkt ins Ausland nach Brasilien, Indien, Australien und Thailand. Denn zum einen verteuert sich der Rohstoff Stahl für ein metallverarbeitendes Unternehmen wie Harley-Davidson in dessen Heimatmarkt. Zum anderen wird das fertige Motorrad beim Export nach Europa teurer, wodurch mit einem höheren Preis für Endkunden und letztlich mit einem geringeren Absatz zu rechnen ist. Exportiert der Hersteller aber seine in Europa sehr nachgefragten Produkte aus anderen Ländern in die EU, umgeht er die Brüsseler Zollschranke.

Die Annahme einer doppelten Beeinträchtigung durch die transatlantischen Zölle wird noch wahrscheinlicher, wenn man folgende Entwicklung betrachtet: Bis Mitte Mai 2018 stellten circa 8.200 US-Unternehmen Anträge beim US-Handelsministerium, von den Importzöllen auf die Metalle aufgrund der steigenden Preise nicht nur in der Stahlproduktion, sondern auch in der Stahlverarbeitung abzusehen. Betroffen sind demzufolge die Automobilindustrie, die Baubranche, der Maschinenbau und Hersteller von Metallwaren, Haushaltswaren und Elektroausrüstung. Der Branchenverband der Bierbrauindustrie, Beer Institute, warnte davor, dass der zehnprozentige Importzoll auf Aluminium die Branche jährlich mehr als 340 Millionen US-Dollar kosten könnte und damit 20.000 Arbeitsplätze gefährde.

Die kombinierten volkswirtschaftlichen Kennzahlen der USA und der EU verdeutlichen, was bei einem Handelskonflikt der beiden Partner auf dem Spiel steht: Beide betreiben etwa ein Drittel des weltweiten Handels mit Waren und Dienstleistungen. Beide stehen für knapp 50 Prozent des globalen BIP, also der Weltwirtschaftsleistung. Beide repräsentieren circa 30 Billionen Euro Wirtschaftskraft im Jahr. Beide halten etwa 60 Prozent aller weltweit getätigten ausländischen Direktinvestitionen. Beide zählen in Summe rund 830 Millionen Bürger. Kurzum: Der transatlantische Wirtschaftsraum ist der am tiefsten integrierte der Welt. Im konkreten Fall der Importzölle auf Stahl und Aluminium schätzt das Bundeswirtschaftsministerium ein, dass diese den Handel in einigen Regionen merklich beeinträchtigen könnten. „Die Auswirkungen für die Weltwirtschaft insgesamt dürften aber überschaubar bleiben“, heißt es weiter.

DROHUNG MIT HÖHEREN ZÖLLEN AUF AUTOMOBILE

Der Schritt von einem bestehenden transatlantischen Handelskonflikt zu einem möglichen Handelskrieg zwischen den USA und der EU wurde durch Präsident Trumps wiederholte Androhungen höherer Importzölle auf Automobile und Autoteile im Juni und Juli 2018 wahrscheinlicher. Der amerikanische Regierungschef wies Handelsminister Ross und Verteidigungsminister Mattis an, die Einführung weiterer Importzölle auf Autos und Autoteile auch aus der EU prüfen zu lassen. Derzeit verlangen die Vereinigten Staaten einen Zoll von 2,5 Prozent auf Pkw aus der EU und einen Zollsatz in Höhe von 25 Prozent auf Light Trucks wie Pick-ups. Die EU erhebt auf amerikanische Autos und Light Trucks einen Zoll von 10 Prozent.

In welchem Ausmaß würden die US-Zölle auf Automobile greifen?

Die US-Regierung erwog dem Wall Street Journal und der Washington Post zufolge Einfuhrzölle auf Automobile in Höhe von 20 bis 25 Prozent. Ein US-Regierungsvertreter zählte neben Mexiko, Kanada und Japan insbesondere die EU zu den möglicherweise von den Zöllen betroffenen Nationen bzw. Staatengruppen. Die USA importierten 2017 nach einer offiziellen US-Statistik 8,3 Millionen Autos im Wert von 192 Milliarden Dollar. Davon entfielen 500.000 Fahrzeuge aus Deutschland im Wert von 20 Milliarden Dollar. Für die deutschen Hersteller Volkswagen, Daimler und BMW sind die Vereinigten Staaten der zweitgrößte Exportmarkt nach China. Allerdings produzierten deutsche Hersteller 2017 laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) mehr als 800.000 Autos in den USA, von denen etwa 60 Prozent exportiert wurden. Insgesamt exportierten die USA 2017 knapp 2 Millionen Autos im Wert von 57 Milliarden Dollar ins Ausland. Die deutschen Autobauer stellen vor allem im Produktionsdreieck im Südosten der USA an den Standorten Spartanburg, South Carolina (BMW), Tuscaloosa, Alabama (Daimler) und Chattanooga, Tennessee (VW) ihre Fahrzeuge her und sorgen für ausländische Direktinvestitionen, Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum in Amerika.

Die deutschen Autobauer stellen im Produktionsdreieck im Südosten der USA ihre Fahrzeuge her und sorgen für ausländische Direktinvestitionen, Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum in Amerika.

Präsident Trump dagegen scheint eine harte Linie zu verfolgen. Er werde seine Handelspolitik beibehalten, bis keine Mercedes-Modelle mehr auf der Fifth Avenue in New York rollten, sagte er im April 2018 beim Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, wie die Wirtschaftswoche am 31. Mai 2018 unter Berufung auf ungenannte Diplomaten aus Europa und Amerika berichtete.

Wie schon im Fall von Stahl und Aluminium argumentierte Handelsminister Ross auch bei den angedachten, höheren Zöllen im Automobilsektor mit Gründen der nationalen Sicherheit und kündigte eine „gründliche, faire und transparente Ermittlung“ an. Wiederum bezog er sich auf Abschnitt 232 des Trade Expansion Act von 1962.

Wie reagiert die EU auf dieses Szenario?

Die EU-Kommission teilte am 2. Juli 2018 mit, dass sie im Fall von höheren US-Zöllen auf Autos aus Europa Gegenmaßnahmen auf diverse amerikanische Produkte im Umfang von 294 Milliarden Dollar ergreifen würde. Dazu zählten Kohle, Pharma- und Chemieprodukte. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström bezeichnete einen solchen Schritt als „katastrophal“. Damit deutete sich endgültig der Eintritt in eine Eskalationsspirale aus immer weiteren Zöllen und Gegenzöllen an.

Nach Berechnungen des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung würde das deutsche Bruttoinlandsprodukt im Fall der Zollerhebung durch die US-Regierung um 5 Milliarden Euro zurückgehen oder 0,16 Prozentpunkte des BIP. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) nannte in seiner Prognose sogar einen Rückgang von 6 Milliarden Euro.

Doch auch Branchenverbände und ökonomische Analysten in den Vereinigten Staaten warnten vor höheren Importzöllen auf Automobile und Autoteile. Laut der Präsidentin der Alliance of Automobile Manufacturers, Jennifer Thomas, würde sich der Verkaufspreis eines in den USA hergestellten Autos um 2000 Dollar erhöhen. Der Preis eines eingeführten Fahrzeuges würde sich dagegen sogar um 6000 Dollar steigern. Das Wirtschaftsforschungsunternehmen Moody’s Analytics errechnete, dass schon bis zum Sommer 2019 bis zu 700.000 Arbeitsplätze in Amerika verloren gehen könnten, sollte Trump seine Drohungen wahrmachen. Der Business Roundtable, eine Lobbygruppe von etwa 200 Vorsitzenden von Konzernen aus den USA, warnte, dass die Handelspolitik der US-Regierung die zunächst einmal positive Wirkung der Unternehmenssteuerreform von Ende 2017 „sabotieren“ werde.

Welche Folgen hat das Treffen von Trump und Juncker?

Angesichts dieser Entwicklung erzielten EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Präsident Trump durchaus überraschende Zwischenergebnisse während ihres Treffens in Washington, D.C. am 25. Juli 2018.

Erstens vereinbarten sie, dass die USA von neuen Zöllen auf Autos und Autoteile aus der EU absehen.

Zweitens beabsichtigten sie, bestehende Zölle, nichttarifäre Handelshemmnisse im Bereich der regulatorischen Kooperation in Form technologischer Standards und Standards in Verfahren vor allem bei Chemie- und Pharma-Produkten sowie Dienstleistungen bzw. Subventionen wechselseitig komplett abzubauen. Automobile sind allerdings davon ausdrücklich ausgenommen – auf sie sollen auch in Zukunft die bestehenden Zölle erhoben werden.

Drittens soll das zweite Zwischenergebnis mit der EU beginnend im Herbst dieses Jahres in Verhandlungen über ein größeres Industriegüterabkommen erreicht werden. Ein solches Abkommen erinnert an die Diskussion um ein „TTIP light“ in Anlehnung an ein nicht ganz so umfangreiches und ambitioniertes Abkommen, wie es die Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) zwischen den USA und der EU hätte werden können. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist diesbezüglich skeptisch. Er lehnt Verhandlungen im derzeitigen Kontext ab und kann sich diese erst vorstellen bei „Entspannungssignalen zu Stahl und Aluminium, die von den USA mit illegalen Zöllen belegt wurden“. In Ergänzung zu Macrons Reaktion sagte der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire nach Angaben seines Ministeriums: „Wir wollen nicht in die Verhandlung einer großen Vereinbarung einsteigen, deren Grenzen wir bei TTIP gesehen haben.“ Generell will Frankreich Agrarprodukte komplett aus möglichen neuen Verhandlungen ausklammern. Die Bauernlobby ist in Frankreich traditionell sehr stark und will insbesondere die geschützten Herkunftsbezeichnungen bei Waren aus bestimmten geografischen Regionen wie etwa Champagner unangetastet lassen.

Viertens stellte die US-Regierung in Person von Finanzminister Steven Mnuchin in Aussicht, dass die Importzölle auf Stahl und Aluminium für die Europäer wegfallen könnten. Der Vorgang befindet sich im Prüfstatus.

Fünftens vereinbarten beide Seiten, dass die Europäische Union mehr Agrarprodukte – vor allem Sojabohnen – und Flüssiggas (abgekürzt LNG für Liquefied Natural Gas) aus den USA importieren soll. Dabei gibt es in der EU schon heute keine Zölle auf Sojabohnen. Die EU-Kommission löste die vermeintlichen Irritationen dadurch auf, dass die europäische Nachfrage nach amerikanischem Soja aufgrund der durch den Handelskonflikt zwischen den USA und China gesunkenen Preise automatisch steigen werde. Dies folgt also den klassischen Regeln des Marktes. Zum Flüssiggas hingegen sagte der Finanzchef des Energiekonzerns EnBW, Thomas Kusterer: „LNG ist immer eine Preisfrage. Und aktuell sind die LNG-Lieferungen aus den USA im Vergleich zu anderen Gasquellen für uns nicht wettbewerbsfähig.“ Die LNG-Lieferungen aus den USA seien zu teuer. Juncker sagte indes den Bau weiterer LNG-Terminals in Europa zu. Die europäische Energieversorgung soll so weiter diversifiziert werden.

Sechstens bekräftigten die USA und die EU die Absicht, an einer Reform der WTO zu arbeiten.

Allgemein gilt: Es gab weder verbindliche Zusagen noch konkrete Zeitpläne für Verhandlungen zwischen den USA und der EU zu allen Zwischenergebnissen des Treffens. Der BDI bewertet es indes positiv, dass ein Fahrplan mit Zielen, Umfang und Inhalten eines möglichen Handelsabkommens von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe, einer sogenannten High Level Working Group, unter Leitung von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und dem amerikanischen Handelsbeauftragten Robert Lighthizer erarbeitet werden soll. Diese hat sich Ende August bereits das erste Mal getroffen. Die beiden nächsten Treffen sind bereits terminiert, und zwar für den 10. September und den 25. September. Die Arbeitsgruppe hat 120 Tage Zeit, um einen gemeinsamen Bericht mit Empfehlungen zu erstellen. Dies wird also Mitte Dezember und somit nach den Midterm Elections in den USA der Fall sein.

Der Fahrplan für die Verhandlungen ist Handelsexperten in Washington zufolge sehr ambitioniert.

Vertreter der Bundesregierung, des BDI und der deutschen Wirtschaft in den USA schätzen es als realistisch ein, dass die Vereinigten Staaten und die Europäische Union tatsächlich in echte Verhandlungen eintreten werden. Völlig unklar erscheint den Fachleuten dagegen, ob es in dem von den USA angestrebten Zeitraum bis zu den Europawahlen im Mai 2019 ein konkretes und umfassendes Ergebnis geben wird. Normalerweise nehmen Beratungen über ein bilaterales Freihandelsabkommen mehrere Jahre bis zum Abschluss in Anspruch. Auch wenn die Erfahrung zeige, dass die amtierende Regierung von Präsident Trump ihre Agenda sehr schnell vorantreibe, sei dieser Fahrplan sehr ambitioniert, sagen Handelsexperten in Washington.

Abgesehen von formalen Unwägbarkeiten bestehen auf der inhaltlichen Ebene die größten Unklarheiten im Bereich der Landwirtschaft und der Automobilindustrie. Wenn man zwischen der EU und den USA ein Handelsabkommen beschließen will, muss gemäß WTO „substantially all the trade“ erfasst sein. Daher kann man zwar auf Grundlage des WTO-Rechts den Agrarsektor ausschließen – dann ist immer noch die Bedingung erfüllt, mehr als 90 Prozent des bilateralen Handelsvolumens zu erfassen. Würde man jedoch die Autoindustrie zusätzlich ausklammern, wären deutlich weniger als 90 Prozent der Handelsgüter erfasst. Die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft bestehen darauf, dass die EU nur ein WTO-rechtskonformes Abkommen mit den USA abschließt.

Daher wird sehr viel Überzeugungsarbeit von Seiten der EU-Kommission zu leisten sein, damit Frankreich die Verhandlungslinie vollumfänglich unterstützt. Nur wenn die EU geschlossen in die Beratungen mit den USA einsteigt, hat sie die Aussicht auf einen Verhandlungserfolg. Und nur so wird die EU-Kommission ein Verhandlungsmandat der EU-Mitgliedsstaaten bekommen.

HANDELSKONFLIKT DER USA MIT CHINA

Parallel zum Handelskonflikt zwischen den Vereinigten Staaten und der EU tragen die USA und China einen Handelskonflikt aus, der bereits höhere Eskalationsstufen erreicht hat und der auch für die europäische Wirtschaft besorgniserregende Folgewirkungen erzeugt. Der Vorwurf der USA richtet sich vornehmlich gegen Chinas Subvention und den massenhaften Export von Stahl und Aluminium. Zudem wirft die US-Regierung der Volksrepublik vor, zu Dumpingpreisen angebotene Solarmodule in die Vereinigten Staaten einzuführen. Auch wenn sich die USA zwischenzeitlich mit der chinesischen Regierung auf den Marktzugang von amerikanischem Rindfleisch, Flüssiggas und US-Finanzdienstleistungen einigten, nahm der handelspolitische Streit zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt kontinuierlich an Schärfe zu.

Welches Ausmaß haben die erhobenen Zölle zwischen den USA und China angenommen?

Nachdem die Vereinigten Staaten am 22. März 2018 Importzölle von bis zu 60 Milliarden Dollar und Investitionsbeschränkungen gegen China angekündigt hatten, erhob die US-Administration Einfuhraufschläge in Höhe von 50 Milliarden Dollar mit Wirkung zum 6. Juli 2018. Die erste Tranche der Einfuhrzölle von 34 Milliarden Dollar wurde in der Startphase über zwei Wochen gesplittet. Vom 23. August an wurde die zweite Tranche von 16 Milliarden Dollar wirksam. Für die erste Tranche der Importzölle ist ein Zollsatz von 25 Prozent auf 818 Produkte wirksam, wie der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer mitteilte. Darunter befinden sich Autos, Flugzeugteile und Festplatten. Die zweite Tranche greift ebenfalls mit einem Zoll in Höhe von 25 Prozent auf 279 Produktgruppen. Dazu gehören Metalle, Schmierstoffe, Chemikalien, Elektronik sowie Industrieprodukte wie Dampfturbinen und Eisenträger.

China leitete auch am 6. Juli Gegenmaßnahmen im selben Volumen wie die USA ein, und zwar in Höhe von 34 Milliarden Dollar. Die chinesische Regierung um Präsident Xi Jinping bezeichnete den Konflikt als „größten Handelskrieg in der Wirtschaftsgeschichte“. Die Reaktion betrifft unter anderem Sojabohnen, Molkereiprodukte, Schweinefleisch, Rindfleisch, Fisch, Autos und Flugzeuge. Zum Tragen kommt ein Tarif in Höhe von 25 Prozent auf etwa 100 amerikanische Produkte. Die chinesische Regierung spricht von Maßnahmen sowohl quantitativer als auch qualitativer Art. Dies bedeutet, dass auch in China ansässige US-Unternehmen von den Gegenmaßnahmen der Kommunistischen Partei getroffen werden sollen, vor allem durch Störungen und Verteuerungen in den Lieferketten. Auf die zweite Zollrunde der USA reagierte das chinesische Handelsministerium ebenfalls vom 23. August an mit Einfuhrzöllen von 25 Prozent über ein Volumen von 16 Milliarden Dollar. Diese richten sich auf 333 US-Güter, dazu gehören Diesel und Kohle, aber auch Stahlprodukte und Medizintechnik.

Donald Trump drohte in der Zwischenzeit damit, bei weiteren Vergeltungen aus Peking zusätzliche Importzölle von zunächst 200 Milliarden Dollar und dann von 300 Milliarden Dollar zu erheben. War zuerst ein Zollsatz von 10 Prozent im Gespräch, erhöhte die Trump-Administration den angedrohten Zoll auf 25 Prozent. Dieser soll auf mehr als 6.000 Produkte angewendet werden. Darunter sind Erzeugnisse der Luftfahrt, Automobilindustrie, IT, des Maschinenbaus, aber auch Alarmanlagen, Fische und Äpfel. Der Handelsbeauftragte Lighthizer setzte dafür bis Ende August 2018 Anhörungen an, um die Machbarkeit dieses Vorhabens zu prüfen. Die Volumina, die der US-Regierung vorschweben, kommen nicht zufällig zustande: Derzeit exportiert China jährlich Waren in die USA im Wert von 508 Milliarden Dollar.

Das US-Handelsbilanzdefizit mit China von derzeit 375 Milliarden Dollar soll sich durch die Einfuhraufschläge schrittweise verringern. Neben diesem Ziel verfolgen die Vereinigten Staaten noch ein weiteres: Die chinesische Regierung soll ihre Zölle auf US-Exporte deutlich senken. Konkret sollen die Einfuhrzölle auf 1.500 Konsumgüter aus dem Bereich der Kosmetik und Haushaltsgeräte um 60 Prozent fallen. Dadurch würde der durchschnittliche Zollsatz von 15,7 Prozent auf 6,9 Prozent fallen. In Zukunft soll China auch wesentlich mehr Waren und Dienstleistungen aus den Vereinigten Staaten aus den Bereichen Agrarprodukte, Produktionstechnik und Energie im Wert von knapp 70 Milliarden Dollar importieren. Ob diese Ziele zu erreichen sind, kann angesichts der aktuellen Entwicklung in Zweifel gezogen werden.

Wie begründen Washington und Peking ihre Maßnahmen?

Die Vereinigten Staaten werfen China insbesondere den Diebstahl geistigen Eigentums und die Verletzung von Urheberrechten im Technologie-Bereich vor. Außerdem kritisieren die USA den Zwang zur Weitergabe von amerikanischem Know-how bei der Bildung von Joint-Ventures in der Volksrepublik. Die chinesische Führung sorgt sich dagegen um zwei ihrer wirtschaftlichen Groß-Projekte. Zum einen soll die Industrie-Strategie „Made in China 2025“ die Volksrepublik in zehn Wirtschaftssektoren – etwa in der Robotik und Biomedizin – an die Weltspitze führen. Zum anderen soll die One-Belt-One-Road-Initiative, die auch Neue Seidenstraße genannt wird, den zentralen logistischen Transmissionsriemen aufbauen, um Chinas Güter vor allem nach Europa zu exportieren. Dafür benötigt China permanentes und robustes Wirtschaftswachstum, das durch einen Handelskrieg höchst gefährdet wäre.

Welche Folgen hat dieser Handelsstreit für die Weltwirtschaft?

Allein Deutschland ist mit circa 5.200 Unternehmen in China vertreten. Deutsche Investitionen in die Volksrepublik beliefen sich 2017 auf 76 Milliarden Euro. Dies zeigt, dass auch deutsches Kapital, deutsche Arbeitsplätze und deutsches Wachstum von der wirtschaftlichen Prosperität Chinas abhängen. Mit Blick auf die Folgen des gesamten Handelskonfliktes zwischen den USA, China und der EU für die globale Wirtschaft sagte IWF-Direktorin Christine Lagarde während des Treffens der G20-Finanzminister und Notenbankchefs am 21. Juli 2018 in Buenos Aires: „Im schlimmsten Fall könnte der Effekt auf die weltweite Wirtschaftsleistung im Bereich von 0,5 Prozent liegen.“ Dies entspreche 430 Milliarden Dollar.

Die handelspolitische Zuspitzung im Geflecht zwischen den USA, Europa und China hat seit dem Amtsantritt des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten am 20. Januar 2017 bis jetzt innerhalb sehr kurzer Zeit viele Eskalationsstufen wie auch mehrere kurzfristige Phasen der Beruhigung durchlaufen. Eine vollständig seriöse Einschätzung über die nächsten zu erwartenden Maßnahmen aller Beteiligten ist über die erwähnten Prognosen hinaus derzeit kaum realistisch.

 

ENTSTEHUNG DES BEITRAGS

Der hier vorliegende Text basiert auf eigenen Recherchen, auf einem Vortrag des Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier während der Mitgliederversammlung der Atlantik-Brücke am 28. Juni 2018 sowie auf Hintergrundgesprächen mit Vertretern des Council of Economic Advisors des Weißen Hauses, des BDI, des Representative of German Industry and Trade (RGIT) in Washington, D.C. und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Der Beitrag ist auch auf der Website der Atlantik-Brücke veröffentlicht worden.

IMPRESSUM
Herausgeber

Atlantik-Brücke e.V.
Magnus-Haus
Am Kupfergraben 7
10117 Berlin
www.atlantik-bruecke.org

Redaktionelle Leitung

Robin Fehrenbach

Geschäftsführender Vorstand

Friedrich Merz (Vorsitzender)
Dr. h.c. Edelgard Bulmahn, Dr. David M. Deißner (Geschäftsführer), Prof. Dr. Andreas R. Dombret, Prof. Dr. Burkhard Schwenker

 

 

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