Gesellschaft

Von der Wiege der Demokratie über den heiligen Berg bis zur Grenze

Reisebericht von der transatlantischen Studienreise 2024

In diesem tagebuchartig verfassten Bericht schildern Lehrerinnen und Lehrer aus Sachsen ihre Eindrücke von ihrer Reise mit der Atlantik-Brücke nach Washington, D.C., Arizona und Virginia.

Der Auftakt in der amerikanischen Hauptstadt

Einen strahlend blauen Himmel erlebten wir in Washington. Was für ein Einstieg in die transatlantische Lehrerreise im Wahljahr 2024! Einen spannenden Auftakt in das politische System Amerikas lieferte das „Federalist Briefing“ mit Akram Elias, Präsident der Capital Communications Group. Die Erkenntnisse aus diesem unterhaltsamen und außerordentlich interessanten Vortrag haben uns auf der gesamten Reise begleitet, die Augen geöffnet und uns geholfen, die USA etwas besser zu verstehen.

Während das Weiße Haus nur aus großer Entfernung zu bewundern war, konnten wir das Kapitol besuchen und unter dem monumentalen Kuppeldach die Wiege der amerikanischen Demokratie mit einer eindrucksvollen Führung direkt erleben. Ein weiteres Highlight stellte der Besuch im National Museum of African American History and Culture dar. Packende Bilder, Objekte und umfassende Texte erzählen von der schmerzhaften Vergangenheit und erbitterten Kämpfen für Gerechtigkeit. Doch je höher man in dem großen Gebäude steigt, umso heiterer werden die Themen, sodass etwa auch Musik und Mode eine Rolle spielen.

Vor dem Washingtoner Himmel ist im deutschen Fernsehen oft Elmar Theveßen zu sehen. Daher wurde dem Besuch im ZDF-Studio mit großer Spannung und etwas Aufregung entgegengefiebert. Unprätentiös, sympathisch und offen gab uns Theveßen Einblicke in seine Arbeit. Mit großem Interesse hörten und diskutierten wir über aktuelle politische Themen und die anstehenden Präsidentschaftswahlen.

Insgesamt erwiesen sich unsere ersten Tage in Washington als sehr informativer und gelungener Einstieg in unser transatlantisches Abenteuer.

Die Fortsetzung in Arizona

Das Tohono O’odham Reservat

Fährt man von Phoenix nach Tucson, fährt man entweder am Tohono O’odham Reservat vorbei oder, wie in unserem Fall, mitten hinein. Und zwar in eine Gegend, die offensichtlich von Armut gebeutelt ist, mit ihrer Vergangenheit kämpft, und in der Regel übersehen wird, wenn man die USA touristisch bereist.

Wir wurden herzlichst empfangen und sind dem indigenen Leben auf vielfältige Weise begegnet: im traditionellen Tanz zur Ernte-Zeit mit den dortigen Lehrkräften und Lernenden und mit mexikanischem Süßgebäck auf der Zunge. Im Cultural Center des Stammes, wo sich betagte Ehrenamtliche unermüdlich dafür engagieren, die eigene Geschichte und Kultur an die junge Generation weiterzugeben und die indigene Kultur für US-Amerikaner sichtbar zu machen. Und wo wir gemeinsam zu Mittag aßen, mit einem traditionellen Gebet, speziell für uns gesungen, im Herzen. Und nicht zuletzt auf Kitt Peak, einem mit Observatorien gespickten heiligen Berg, wo junge Forschende ein Projekt entwickeln, um vor allem für die Jugendlichen im Reservat moderne Forschung in Verbindung mit der dortigen indigenen Kultur erlebbar zu machen.

Nogales und die Bedeutung der Grenze

Die Reise nach Nogales, Arizona, führte uns in eine der eindrucksvollsten und komplexesten Grenzregionen der Vereinigten Staaten – direkt an der Grenze zu Mexiko. Die Stadt Nogales, Arizona, liegt im Süden des Bundesstaates und ist eine von wenigen US-amerikanischen Städten, die direkt mit einer mexikanischen Stadt verbunden sind – Nogales, Sonora.

Hier, im sogenannten „Borderlands“-Gebiet, spürt man die einzigartige Mischung aus Kulturen, Traditionen und politischen Spannungen. Nogales ist nicht nur ein geographischer Ort, sondern ein Schnittpunkt von Leben und Geschichte, der die Komplexität der amerikanischen Südgrenze widerspiegelt. Und das durften wir hautnah miterleben.

Borderlands Tour mit der Border Community Alliance an der Línea

Die Border Community Alliance, eine gemeinnützige Organisation, setzt sich dafür ein, das Verständnis für die Grenzregion zu fördern und das Leben der Menschen in der Gegend zu verbessern. Die Tour führte uns entlang des Grenzzauns, Línea genannt, der sowohl ein physisches als auch symbolisches Hindernis darstellt. Wir lernten über die Herausforderungen, denen sich die Gemeinschaften gegenübersehen – insbesondere im Hinblick auf Migration und die sozialen Auswirkungen der Grenzpolitik. Die Schülerinnen und Schüler der High School in Nogales, die oft aus Familien stammen, die in direkter Nähe zur Grenze leben, haben große Träume und den Willen, trotz der Herausforderungen eine positive Zukunft zu gestalten.

Arivaca Humanitarian Aid – Ein Besuch bei Helfern

Nach dem Besuch der High School fuhren wir weiter nach Arivaca, einer kleinen Gemeinde südlich von Nogales. Arivaca ist bekannt für die Arivaca Humanitarian Aid, eine Organisation, die sich für die Unterstützung von Migranten einsetzt, die auf ihrem gefährlichen Weg in die USA in den Grenzgebieten gestrandet sind. Diese Organisation bietet alles von Wasser und Nahrung bis zu medizinischer Hilfe. Die Freiwilligen erzählen von der schwierigen Arbeit, die sie leisten – die Bedingungen in der Wüste sind extrem, und viele Migranten verlieren hier ihr Leben.

Kulinarische Entdeckungen: Mexikanische Einflüsse in der Küche in und um Nogales

Die Städte Tucson und Nogales, mit ihrer Nähe zu Mexiko, sind ein wahres Paradies für Liebhaber der mexikanischen Küche. Besonders beeindruckte uns die Fusion von amerikanischen und mexikanischen Aromen in der gesamten Region – von herzhaften Burritos und Tacos bis hin zu speziellen Kreationen, die eine Brücke zwischen den beiden Ländern schlagen. Das Essen in Nogales ist nicht nur schmackhaft, sondern auch ein Sinnbild für die Verbindung der Kulturen.

Abschluss mit einer Happy Hour in der Borderlands Brewing Company

Unsere Reise haben wir in der Borderlands Brewing Company ausklingen lassen, einem lokalen Brauhaus in Tucson, das sowohl für seine Craft-Biere als auch für die entspannte Atmosphäre bekannt ist. Hier gab es nicht nur großartiges Bier, sondern auch einen besonderen Austausch zwischen Lehrenden, die wir auf unserer Reise kennenlernen durften. Hier wird klar, wie stark die Region durch die Menschen geprägt wird, die sich für ihre Gemeinschaft einsetzen, ob im Klassenzimmer, bei der humanitären Hilfe oder auch in den Brauereien.

Die Sonora-Wüste

Die Sonora-Wüste – unbegrenzte Weite, flirrende Hitze, endlose Straßen und eine Szenerie wie in „Lucky Luke“. Nie hätten wir vorher gedacht, dass wir diese Landschaft, die hauptsächlich aus riesigen Kakteen und Dornenbüschen vor strahlend blauem Himmel besteht, jemals erleben würden. Auch im Rückblick fühlt sich diese Erfahrung noch fast unwirklich an. Im Arizona-Sonora Desert Museum, das sich hauptsächlich im Freien befindet, lernten wir, dass in dieser so lebensfeindlich wirkenden Umgebung einige Tiere, wie etwa Kojoten, Wüstenhasen oder Javelina, beheimatet sind. Auf kurzen Spaziergängen war die Hitze deutlich zu spüren, und wir lernten die Klimaanlage unseres Busses endlich zu schätzen.

Das Fazit: Eine Reise voller Eindrücke

Unsere Reise in den Süden Arizonas hat uns auf eine tiefgründige Entdeckungsreise geführt. Die Grenze ist weit mehr als nur eine politische Linie – sie ist ein lebendiger Ort der Begegnung, des Konflikts, der Hoffnung und der Menschlichkeit. Hier spürt man die Verbindung zwischen den Menschen auf beiden Seiten der Grenze und erlebt, wie Gemeinschaften mit den Herausforderungen der Grenzregion umgehen. Es war eine Reise, die uns nicht nur neue Perspektiven auf die Grenzregion, sondern auch auf Migration, Bildung und menschliche Hilfe nähergebracht hat.

Die Schulen und die University of Arizona

Unsere Reise führte uns an vier unterschiedliche Schulen, die alle unser Bild der typischen American High School gleichzeitig bestätigten als auch geraderückten.

Die Hayfield Secondary School in Alexandria, Virginia präsentierte uns unter anderem eine Bibliothek und ein Auditorium, die uns vor Neid erblassen ließen. Sie ermöglichte uns einen Einblick in Fächer wie Cosmetology inklusive der Klassenzimmer voller Friseurplätze. Aber die Anwesenheit von Schulpolizisten in voller Montur, oder der morgendliche „Pledge of Allegiance“ verlangten bei uns nach Erklärung.

In der Indian Oasis Elementary Intermediate School und der Baboquivari High School im Reservat der Tohono O’odham durften wir unter anderem am Indigenous Culture-Unterricht teilnehmen, hoch engagierte Lehrkräfte beobachten, und uns den Fragen der Kinder stellen. Aber dass hier ein Belohnungs- und Sanktionierungssystem über Hauspunkte etabliert ist, der Unterricht teils an eine Gameshow erinnert, um die Schülerinnen und Schüler zum Schulbesuch zu motivieren, und es aus Sicherheitsgründen auch in diesen beiden Schulen nirgendwo Fenster gibt, stimmte uns eben doch sehr nachdenklich.

Die Nogales High School überraschte uns mit einer Mariachi-Band, vielen bunten Wandmosaiken und Deutschunterricht in einer Gegend, wo wir es nie vermutet hätten. Mit viel Stolz wurden uns der Football-Pitch und die Turnhalle gezeigt. Aber der Übungsparcours des US-Army-Schoolclubs direkt auf dem Schulgelände war doch befremdlich. Und der Fakt, dass sich die Lernenden aus dem mexikanischen Teil der Stadt unter der ersten Trump-Administration nicht mehr in die Schule getraut haben, machte uns einfach todtraurig.

Aufschlussreich waren aber auch die inoffiziellen Gespräche: mit einer Schülerin, die sechs Schoolclubs leitet, aber das Gefühl hat, für ihre College-Bewerbung sei dies nicht genug; mit Lehrkräften, die davon berichten, dass sie nebenbei Nachhilfe geben, um finanziell überhaupt über die Runden zu kommen; oder mit Studierenden der University of Arizona, die sich nicht vorstellen können, dass Bildung in anderen Ländern nicht Tausende US-Dollar im Semester kostet.

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