US-Wahlen 2024

„Die Wahl Trumps ist ein Weckruf für Europa“

„Die Wahl Trumps ist ein Weckruf für Europa“ Photo by David Peterson

Seit dem Morgen des 6. November 2024 steht fest: Donald Trump wird zum zweiten Mal als Präsident der Vereinigten Staaten ins Weiße Haus einziehen. Die erneute Wahl des Gründers der MAGA-Bewegung ist auch in Deutschland mit Sorge aufgenommen worden, die Zukunft der transatlantischen Partnerschaft könnte auf dem Spiel stehen.

Die Atlantik-Brücke hat nach der Wahl die aktuelle Situation auf einer Pressekonferenz ausführlich analysiert. Außerdem fanden in sieben Regionalgruppen im Laufe des Novembers Wahlnachlesen statt. In München, Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf, Hamburg, Leipzig und London diskutierten die Mitglieder über die künftige Außen- und Wirtschaftspolitik und äußerten ihre Sorgen und Hoffnungen.

Angst um die Zukunft der NATO

Besonders leidenschaftlich wurden die Auswirkungen der US-Wahl auf die NATO, die Konsequenzen für die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik besonders im Kontext von Russland und China und die Erwartungen an Deutschlands Eigenständigkeit und seine Rolle in der EU debattiert. Und überall schwang die Sorge um die langfristige Stabilität des Verteidigungsbündnisses mit.

Als Bedrohung wurden auch die eskalierenden Konflikte mit China und Russland genannt. Sie könnten Europa in eine geopolitische Zwickmühle bringen. Zweifel äußerten die Mitglieder zudem daran, dass Deutschland bereit sei, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen und größere geopolitische Verantwortung zu übernehmen.

Bedrohung durch Zölle

Ein großer Grund zur Sorge sei der zunehmende Protektionismus der USA und die Gefahr radikaler Entscheidungen durch Trump. Die Auswirkungen der US-Wahl auf die internationalen Handelsbeziehungen – insbesondere die drohende Einführung von Zöllen – trieben die Mitglieder um. Die Rolle Deutschlands sei neu zu definieren, wirtschaftspolitische Anpassungen an die erneute Trump-Administration seien erforderlich, hieß es. Deutschland müsse nun konkrete Vorschläge für die neue US-Regierung erarbeiten, etwa in Form von sektoralen Deals.

Aber nicht nur die amerikanischen Zölle, sondern auch ein drohender Handelskrieg mit China und die Auswirkungen auf die deutsche Automobilbranche wurden ausführlich besprochen.

Die größten Sorgen der Mitglieder

Die größte Sorge der Mitglieder war die um die Demokratie: Es sei zu befürchten, dass unter Trump die US-Institutionen und die Pressefreiheit weiter geschwächt würden. Trump befördere zudem eine weitere Polarisierung der Gesellschaft und trage so zum Aufstieg populistischer Bewegungen auch in Europa bei. Bei der zunehmenden Spaltung der Wählerschaft – sowohl in den USA als auch in Deutschland – spiele die ständig wachsende Migration eine entscheidende Rolle. Das müsse auch Konsequenzen für die Wahlstrategien der Parteien haben.

Weitere Sorgen waren die um die Unabhängigkeit der Institutionen und dass Europa den Weckruf nicht hören und wirtschaftlich abgehängt werden könnte.

Die Kabinettsbesetzung birgt Sprengstoff

Rege wurde in den Regionalgruppen auch über die Kabinettsbesetzung diskutiert. In der Außenpolitik sei mit Marco Rubio der „letzte Internationalist“ nominiert.  Auch in der Finanzpolitik habe sich mit Scott Bessent als Key Pick bisher eher die traditionelle Linie durchgesetzt. Bessent sei etwa bei Zöllen gemäßigt und man dürfe vorsichtig optimistisch sein.

Viele äußerten sich kritisch über die ideologische Besetzung des Trump-Kabinetts und über den starken Einfluss des Tech-Unternehmers Elon Musk. Überhaupt sei der Einfluss sozialer Medien eine Gefahr für die Demokratie. Es sei zu beobachten, dass sich in dem zurückliegenden Wahlkampf Propaganda und Desinformation verstärkt hätten.

Die Hoffnungen der Mitglieder

Große Hoffnung setzten die Diskutanten jedoch in die transatlantische Partnerschaft. Man vertraue auf die Widerstandskraft der transatlantischen Beziehungen, die auch in der Vergangenheit trotz politischer Turbulenzen stets stabil geblieben sind.

Viele glauben, dass die Wahl Trumps zum Präsidenten ein Weckruf für Europa sei. Insbesondere in Fragen von Verteidigung und wirtschaftlicher Eigenständigkeit müsse sich Europa nun zusammenraufen und als gemeinsame Kraft auftreten. Vertrauen habe man zudem in den US-Senat. Die moderaten Kräfte würden sich schon gegen extreme Entwicklungen in der neuen Trump-Regierung stemmen.

Entscheidend sei jetzt Europas Reaktion. Vor allem die eigene Wirtschaft müsse wieder auf einen Wachstumspfad gebracht werden. „Deutschland hält den Schlüssel zur wirtschaftlichen Antwort Europas auf Trump in der Hand“, äußerten sich einige Diskutanten. Es müsse der kommenden deutschen Bundesregierung gelingen, die Wirtschaft grundlegend umzugestalten („repurpose the economy“) und wieder Wachstum zu generieren. Die Wahl Trumps zwinge Europa dazu, etwas zu tun, weshalb Europa am Ende vielleicht sogar dankbar für das Wahlergebnis sein könnte.

Hoffnung schöpfen lässt die Mitglieder der Atlantik-Brücke auch die Tatsache, dass es belastbare Verbindungen zu republikanischen Kräften auf bundesstaatlicher Ebene gebe. Hier könnte man den Dialog auch aufrechterhalten, wenn sich die Regierung und der Kongress in Washington unkooperativ zeigten.

Ein weiterer Grund zur Hoffnung sei ein zu erwartender ökonomischer Aufschwung in den USA durch Deregulierung und niedrige Steuern, der sich gegebenenfalls auch auf Europa ausweiten könnte.

Im Dialog bleiben

Am Ende war der Wunsch aller, dass Deutschland und Europa dialogfähig bleiben. Es gebe keinen anderen Weg, als mit der US-Regierung pragmatisch zusammenzuarbeiten, um die gemeinsamen Interessen (Ukraine, Handel, Sicherheit) voranzutreiben. Viele Mitglieder betonten, die Atlantik-Brücke sei in Zeiten wie diesen „wichtiger denn je“.

Oder wie ein Teilnehmer in Hamburg so schön sagte: Mit den USA habe man nicht länger eine Vater-Sohn-Beziehung. Nun sei es an der Zeit, auf Augenhöhe unter Brüdern zu agieren.

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