Wettbewerbsregulierung mit Nebenwirkungen
Von Johannes Kuhn, Korrespondent im Hauptstadtstudio des Deutschlandfunks
Als die Europäische Kommission im März 2024 Untersuchungen gegen Alphabet, Apple und Meta einleitete, ließ sie keinen Zweifel: Der „Digital Markets Act“ (DMA) zur Regulierung der Marktmacht von Internet-Plattformen soll eine Verordnung sein, die Zähne zeigen kann. Ob die Regulierung ihren Zweck erfüllt, also wirklich für ein „Level Playing Field“ für Akteure auf digitalen Marktplätzen sorgt, aber auch neue (und womöglich europäische) Player zulässt, diskutierten Aline Blankertz, Wikimedia Deutschland e.V., Gary Davis, Apple Ireland, Dr. Thorsten Käseberg, Bundeswirtschaftsministerium, und Rebekka Weiß, Microsoft Germany, bei der Strategy Session „The Digital Markets Act: Championing Fair Play in the Digital Arena“ am 8. April 2024 im Magnus-Haus. Moderiert wurde das Panel vom Autor dieser Zeilen.
Zumindest was die Wirksamkeit des DMA angeht, wagten die Gäste noch keine Prognose. Ebenso unsicher ist derzeit, ob die Regulierung wie einst die Datenschutzgrundverordnung den so genannten „Brüssel-Effekt“ auslöst – also zur Blaupause für andere Kontinente wird. Immerhin gibt es auf anderen Kontinenten, die aber deutlich kleinere Märkte darstellen, durchaus Interesse daran, den Digital Markets Act in Teilen als wettbewerbsrechtliches Vorbild in Betracht zu ziehen.
Der DMA lässt Spielraum für Interpretationen
Allerdings gilt, wie bei vielen europäischen Regulierungen: Wie genau das neue Rahmenwerk vermessen ist, lässt sich im Moment noch gar nicht sagen. Einige Formulierungen bieten Interpretationsspielraum in Sachen Compliance. Ob die so genannten Gatekeeper das FRAND-Prinzip anwenden, also „fair, reasonable, and non-discriminatory“ (übersetzt: fair, angemessen und diskriminierungsfrei), ist letztlich Interpretationssache.
Diese eher vagen Teile des DMA stehen im Kontrast zu konkreten Vorschriften wie der Messenger-Interoperabilität. Diese erscheint aus Nutzersicht zwar als gute Idee, derzeit ist aber noch nicht ganz klar, wie die Idee ohne Gefährdung der Verschlüsselung umgesetzt werden kann – und ob dies wirklich zu einer Verschiebung der Marktanteile im Messenger-Bereich führen wird, also bei der Nutzerschaft auf Interesse stößt.
Der DMA, das klang in der Runde durch, orientiert sich an vorherigen Wettbewerbsfällen. Damit bleiben Fragen zur Regulierung von Marktmacht im Kontext Künstlicher Intelligenz offen: Einerseits, weil sich hier Partnerschaften durchsetzen, in denen Tech-Konzerne Start-ups Rechenkraft zur Verfügung stellen, im Gegenzug aber Anteile am Unternehmen erhalten. Andererseits, weil zum Beispiel der Zugang zu dieser Rechenkraft nicht reguliert ist – denn viele Cloud-Anbieter sind zwar sehr marktmächtig, erfüllen aber nicht die typischen Gatekeeper-Kriterien wie beispielsweise neunstellige Nutzerzahlen.
Ob sich der DMA zu der atmenden Regulierung entwickelt, die von seinen Urhebern vorgesehen war, bleibt deshalb abzuwarten. Letztlich gibt es durchaus Indizien, dass das Wettbewerbsrecht insgesamt nun in deutlich schnelleren Reform-Zyklen modernisiert werden muss – gerade entlang der digitalen Geschäftsfelder.
Zentrale Fragen rund das digitale Ökosystem können nicht ohne die USA gelöst werden
Auch ist die Frage, ob und wie die Digitalregulierung der EU letztlich europäische Start-ups unterstützt. Denn wenn diese jungen Firmen Investorengelder und Einnahmen in Compliance-Einheiten stecken müssen, bedeutet dies unter Umständen Abstriche für Felder wie Entwicklung, Sales und Marketing. Kurz: Sie beeinflussen die Innovationskraft.
Der Digital Markets Act ist also keine Wunderwaffe, darüber war sich das Panel einig. Sondern letztlich das Resultat eines Kompromisses innerhalb der Europäischen Institutionen. Einschneidende Strukturmaßnahmen wie Aufspaltungen sind nicht vorgesehen oder möglich. Heißt: Die Europäische Union hat einen wettbewerbsrechtlichen Regulierungsrahmen gefunden, zentrale Fragen rund um Gleich- und Ungleichgewichte des digitalen Ökosystems können aber nicht ohne die USA gelöst werden.