Wie abhängig ist Deutschland von russischen Erdgaslieferungen?
Die Krise mit Russland eskaliert. Eine Studie im Auftrag der Atlantik-Brücke, durchgeführt vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), zeigt, wie gut Deutschland für den Fall eines Gas-Embargos aufgestellt ist.
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Erdgas machte 2020 26 Prozent des deutschen Primärenergiebedarfs aus. Über die Hälfte dieses Erdgases wird von Russland geliefert Was sind die Auswirkungen einer möglichen Lieferunterbrechung, und wie kann sich Deutschland wappnen?
Die Speicher müssen gefüllt sein
Um die Auswirkungen einer Versorgungsunterbrechung abschätzen zu können, stützt sich die Studie auf bestehende Simulationsanalysen. Im ersten untersuchten Fall stellt Russland die Lieferungen durch ukrainische Pipelines über die Wintermonate ein, im zweiten dreht Russland den Gashahn nach Europa ganz zu. Im Normalfall ist Deutschland durch seine Speicherkapazitäten und eine gute Anbindung an Flüssiggasterminals von Nachbarländern wie den Niederlanden kurzfristig gut abgesichert. Problematisch könnte es werden, wenn die Speicherstände wie zuletzt nur unzureichend gefüllt sind oder der Winter besonders kalt wird. Zu Beginn dieses Winters waren die Speicher in Deutschland zu 67 Prozent befüllt – in den zwei Jahren zuvor waren es jeweils über 95 Prozent.
Flüssiggas ist entscheidend
Die Bundesrepublik könnte die leeren Gasspeicher über Flüssiggas (LNG) kompensieren: In den vergangenen Jahren ist der LNG-Markt weltweit kräftig gewachsen. Deutschland verfügt über die notwendige Infrastruktur, um Lieferengpässe auszugleichen – zumindest kurzfristig. Auch der zügige Ausbau der erneuerbaren Energien senke die Abhängigkeit von Russland.
Was geschieht bei unmittelbaren Versorgungslücken?
Im Falle unvermeidbarer Versorgungslücken stehen kurzfristig Reservekraftwerke
zur Verfügung, um mindestens ein Viertel des Gasbedarfs in der Stromerzeugung zu
ersetzen. Zudem wird die Versorgung von privaten Haushalten und sozialen Diensten priorisiert.
Der Vorsitzende der Atlantik-Brücke Sigmar Gabriel kommentierte die Studie: „Die „Friedensdividende“ in der Energiepolitik Europas scheint aufgezehrt. Nun stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang Deutschland und Europa ihre Energieversorgung diversifizieren können, um damit unabhängiger und resilienter gegenüber künftigen politischen Krisen zu werden. Die aktuelle Studie im Auftrag der Atlantik-Brücke zeigt Wege dafür auf. Kann Deutschland sich trotz Kohle- und Atomausstieg und einer steigenden Gasnachfrage unabhängiger machen von russischem Erdgas? Die Antwort lautet: Ja!“