Gesellschaft

Die Corona-Krise und die Trump-Administration

Der US Corona-Monitor der Atlantik-Brücke
Die Corona-Krise und die Trump-Administration Die Vereinigten Staaten von Amerika entwickeln sich aktuell zum neuen Epizentrum des Corona-Virus, wie die Weltgesundheitsorganisation WHO mitgeteilt hat. Foto: unsplash

Von Robin Fehrenbach

Der Höhepunkt der Pandemie des Corona-Virus Sars-CoV-2 und der dazugehörigen Atemwegserkrankung Covid-19 ist auch fast drei Monate nach der Entdeckung des Erregers in der chinesischen Stadt Wuhan noch nicht erreicht. Während die aktuellen Fallzahlen von Infizierten und Toten der Johns-Hopkins University zufolge in China auf eine leichte Entspannung im asiatischen Raum hindeuten und in Europa nach wie vor Italien und Spanien am stärksten von der Pandemie betroffen sind und sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien auf eine Zuspitzung der Lage vorbereiten, entwickeln sich die Vereinigten Staaten zunehmend zu einem neuen Epizentrum der weltweiten Krise. Am 17. März dieses Jahres erfasste Covid-19 sämtliche US-Bundesstaaten, als letzter war West Virginia davon betroffen.

In der ersten Ausgabe unseres US Corona-Monitors werfen wir daher einen genaueren Blick auf die Reaktion der Regierung von Präsident Trump. Dabei steht die Frage im Zentrum, wie unterschiedliche Experten und Entscheidungsträger aus gesundheitspolitischer, wirtschaftspolitischer und wissenschaftlicher Perspektive die Abwehrmaßnahmen bewerten.

Wie schätzt das National Institute of Allergy and Infectious Diseases unter der Leitung von Dr. Anthony Fauci das gesundheitspolitische Krisenmanagement der Regierung ein?

Die Corona-Pandemie hat US-Präsident Trump sichtbar dazu gezwungen, seinen bisherigen Kurs der Geringschätzung von insbesondere wissenschaftlicher Expertise zu verändern. Kostensenkungen im Gesundheitswesen und strukturelle Einschnitte wie die Auflösung des Nationalen Seuchenbekämpfungsrates im Weißen Haus unter Präsident Trumps Führung zeitigen heute negative Effekte, was eine robuste Antwort auf diese Krise angeht. Nach einem ersten Besuch der Seuchenschutzbehörde CDC in Druid Hills, Georgia Anfang März bezog die Regierung nach und nach mehr Fachexpertise ihrer Behörden in ihre Strategie gegen Covid-19 ein. So hält der Präsident mittlerweile täglich ein Update-Briefing zur Corona-Pandemie im Presseraum des Weißen Hauses ab – ein Ort, an dem er in den drei Jahren seiner bisherigen Amtszeit zuvor äußerst selten vor den amerikanischen und internationalen Berichterstattern aufgetreten war.

In den Briefings steht für die meiste Zeit Trump am Sprecherpult und informiert die Öffentlichkeit über die aktuelle Entwicklung. Doch die von ihm berufene Task Force unter der Leitung von Vize-Präsident Mike Pence zur Bekämpfung der Corona-Krise stützt sich inzwischen sehr auf die Ratschläge des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), einer Bundesbehörde unter der Leitung von Dr. Anthony Fauci. Dieser hat seit 1984 insgesamt sechs US-Präsidenten gedient und unter anderem zu HIV und Aids, Tuberkulose, Malaria, Ebola und Zika geforscht. Das NIAID verfügt für das Haushaltsjahr 2020 über ein Jahresbudget von 5,9 Milliarden US-Dollar. Es ist nicht übertreiben, neben dem bereits erwähnten CDC das NIAID als nationale Instanz in der Covid-19-Pandemie zu betrachten. Dies erkennt Präsident Trump mittlerweile an.

Fauci verfolgt die Briefings neben Trump, die kurz vor der Prime Time der großen US-Fernsehsender mitunter bis zu 90 Minuten dauern, und gibt dann seine Einschätzung zur Lage ab. Dabei drückt er nicht nur Zustimmung zu Trumps Kommentaren aus, sondern bewahrt in beharrlicher Art und Weise seine Unabhängigkeit als Wissenschaftler und Behördenleiter zugleich. Fauci hält das Corona-Virus für zehnmal so tödlich wie die saisonale Influenza-Grippe. Argumentative Unterfütterung für seine Sicht erhielt Fauci von einer Studie des Imperial College London, die 2,2 Millionen am Corona-Virus gestorbene Amerikaner prognostiziert – auch angesichts eines angeschlagenen und durch die Pandemie überlasteten Gesundheitssystems.

Seitdem Trump diese Zahlen verinnerlicht hat, rät auch er nicht nur zu verstärkten hygienischen Maßnahmen, sondern auch zu einem strikten Social Distancing, zu dem derzeit alle Staaten der Welt greifen, um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen und damit zeitlich zu strecken. Die gebündelte Kompetenz von Wissenschaftlern innerhalb des politischen Systems der Vereinigten Staaten entwickelt sich in diesen Tagen einer nie dagewesen Herausforderung auf allen Ebenen des Staates also zur Richtschnur des Handelns. Diese zumindest vorübergehende Akzeptanz von Fakten und evidenzbasierten Aussagen stellt eine neue Qualität für eine Administration dar, die den Begriff der „alternativen Fakten“ geprägt hat und damit der Debatte um eine postfaktische Welt neue Nahrung gegeben hat.

Welche Positionen nehmen die Republikanische Partei und die Demokraten in Bezug auf die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Trump-Administration im Kampf gegen Covid-19 ein?

Zunehmend diskutieren weltweit Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, was eigentlich mehr Schaden verursacht: das Corona-Virus oder die wirtschaftliche Rezession. Zwischen den Vertretern der Republikaner und der Demokraten im US-Senat war zunächst auch um diese grundsätzliche Frage ein Streit entbrannt. Die republikanischen Senatoren um ihren Mehrheitsführer, Senator Mitch McConnell, unterstützten das Vorhaben der Trump-Regierung, ein insgesamt 1,3 Billionen US-Dollar schweres Hilfspaket zur Stabilisierung der Wirtschaft zu verabschieden.

Dagegen äußerten Repräsentanten der Demokratischen Partei unter der Leitung ihres Minderheitsführers, Senator Chuck Schumer, deutliche Kritik an diesem Plan. Das ursprüngliche Maßnahmenpaket nehme die Belange der Angestellten, denen Arbeitslosigkeit und der Verlust jeglicher Einnahmen drohen, sowie der Bundesstaaten, Kommunen und Krankenhäuser viel zu wenig in den Blick und konzentriere sich zu einseitig auf die Nöte der großen US-Konzerne wie beispielsweise des Flugzeugbauers Boeing, der Fluggesellschaften Delta Air Lines und United Airlines sowie des Technologieunternehmens General Electric.

Im Senat blieb es aber nicht bei den sonst üblichen Schuldzuweisungen beider Parteien. Sowohl die Republikaner als auch die Demokraten stimmten dafür, weiter an einem Kompromiss und der finalen Verabschiedung des Pakets zu arbeiten. Schließlich stimmten die Senatoren nach einer Einigung mit dem Weißen Haus mit 96:0 einem zwei Billionen US-Dollar umfangreichen Hilfspaket zu. Dieses beinhaltet Einmalzahlungen von 1.200 Dollar an Angestellte mit einem Bruttojahreseinkommen von bis zu 75.000 Dollar, die Ausweitung von Arbeitslosengeld, die Unterstützung von kleinen Unternehmen mit Krediten in einem Volumen von 367 Milliarden Dollar und finanzielle Hilfen für Krankenhäuser. Noch muss das Repräsentantenhaus der Vorlage zustimmen, was als wahrscheinlich zu betrachten ist. Die Unterschrift von Präsident Trump unter das Gesetz gilt dagegen als Formsache.

Zuvor hatte die Sprecherin des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, angekündigt, dass ihre Fraktion an einer eigenen Gesetzesinitiative zur ökonomischen Abfederung der Folgen der Corona-Pandemie arbeite. Dies würde die Verabschiedung eines Gesetzes merklich verzögern.

„Wir können nicht zulassen, dass das Heilmittel schädlicher ist als das Problem selbst.“US-Präsident Donald Trump

Unabhängig vom Hilfspaket für die amerikanische Wirtschaft beabsichtigt Präsident Trump, dass die meisten Unternehmen nach Ostern ihren Betrieb in den Vereinigten Staaten wieder voll aufnehmen und die Menschen an ihre Arbeitsplätze zurückkehren. „Wir können nicht zulassen, dass das Heilmittel schädlicher ist als das Problem selbst“, schrieb Trump dazu auf Twitter. Über dieses Vorhaben wird in den USA nun intensiv debattiert. Der öffentliche Diskurs dürfte sich in den nächsten Tagen und Wochen schwerpunktmäßig darauf konzentrieren.

Welche politischen Maßnahmen empfehlen führende amerikanische Think Tanks der Regierung und dem Kongress in der aktuellen Krise?

Auch die professionelle Politikberatung in den USA beschäftigt sich in einem 24/7-Modus mit den Folgen des Corona-Virus und mit möglichen Lösungsansätzen für die Entscheidungsträger in Politik und Ökonomie.

Für die überparteiliche Brookings Institution hat Jay Shambaugh die ökonomische Wirkung von Covid-19 und die generelle politische Reaktion auf die Pandemie untersucht. Shambaugh stellt zunächst fest, dass es für die Wirtschaft in den USA und das Wohlergehen der amerikanischen Bevölkerung entscheidend darauf ankommt, die Verbreitung von Sars-CoV-2 so stark wie möglich einzudämmen. Davon hänge der Erfolg aller anderen politischen Maßnahmen direkt ab. Die Geschwindigkeit der bereits feststellbaren Arbeitsplatzverluste überträfen das Tempo des Jobabbaus aus der Zeit der Großen Depression Ende der 1920er Jahre. Shambaugh rechnet mit einem schweren Einbruch der US-Wirtschaft, der sich aus seiner Sicht mindestens bis zum Ende des zweiten Quartals 2020 hinzieht. Sobald die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus wieder gelockert werden, stelle sich die Frage, ob die Wirtschaft wieder anspringt.

Die Maßnahmen der US-Notenbank Federal Reserve, über das Senken des Leitzinses auf nahezu 0 Prozent und einen einsetzenden Anleiheaufkauf im Sinne eines Quantitative Easing mehr Liquidität in die amerikanische Finanz- und Realwirtschaft zu pumpen, reichten nicht aus, schreibt Shambaugh weiter. Dafür seien die mangelnde Binnennachfrage, das Schließen von Geschäften und das heruntergefahrene Reisen zu gravierend. Deshalb komme es jetzt darauf an, von Seiten des Kongresses die schwersten Schocks für die US-Wirtschaft fiskalpolitisch abzufedern.

Die vordringlichste Aufgabe der Fiskalpolitik bestehe darin, den Menschen nach einem Arbeitsplatzverlust unmittelbar mit einem stärkeren sozialen Netz über die kommenden Monate zu helfen. Shambaugh rät des Weiteren zu einer Ausweitung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die in den USA eher untypisch ist. Familien sollten darüber hinaus direkt mit finanziellen Mitteln versorgt werden, um private Haushalte so lange wie möglich liquide zu halten.

Kleinen und mittleren Unternehmen sollten direkte Kredite garantiert werden. Schließlich sollte die Bundesregierung den Bundesstaaten finanzielle Unterstützung etwa für medizinische Ausrüstung und Schutzkleidung (Atemschutzmasken, Handschuhe, medizinische Kittel) zukommen lassen – denn es seien gerade die Bundesstaaten, die an vorderster Front mit öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen die Pandemie bekämpfen. All diese Maßnahmen zusammengenommen, würden das größte fiskalische Einzelpaket in der Geschichte der Vereinigten Staaten ergeben.

Robert Spalding analysiert für das der Republikanischen Partei nahe stehende Hudson Institute die Implikationen der Corona-Pandemie für die nationale Sicherheit der USA. Die Anfälligkeit globaler Lieferketten mit ihrer granularen Arbeitsteilung an zahlreichen Orten der Welt zeige, wie wichtig eine industrielle Basis und Kapazitäten der Wertschöpfung im Inland als zentrale Komponente einer widerstandsfähigen nationalen Sicherheit seien. Amerika sei regelrecht abhängig von der Versorgung mit pharmazeutischen Produkten aus China, betont Spalding.

Industriepolitik, die die nationale Sicherheit unterstützt, beginne in den USA im Department of Defense. Dafür stehe auf rechtlicher Ebene beispielhaft der Defense Production Act. Spalding zieht als historische Referenz Präsident Eisenhowers Einsatz für das nationale Highway-System der USA zu Zeiten des Kalten Krieges heran. Auch jetzt in der Corona-Krise sollte die Regierung die Gelegenheit nutzen, die Infrastruktur des Landes zu ertüchtigen, vor allem ein Hochgeschwindigkeitsnetz für Züge und ein stabiles und modernes Stromnetz auszubauen. Ein solches Projekt würde private Investitionen im Umfang von Hunderten von Milliarden US-Dollar freisetzen.

Das Pentagon sollte darüber hinaus auch gezielt und verstärkt in Forschung und Entwicklung investieren, empfiehlt Spalding. Das US-Verteidigungsministerium sollte insbesondere Mittel für Bildungsstipendien im Bereich von Naturwissenschaften, Technologie, Ingenieurswissenschaften und Mathematik freigeben. Eine Lehre der Corona-Krise für strategische Sicherheitspolitik im globalen Kontext werde sein, Wirtschaftswachstum und Wohlstand durch kluge Industriepolitik im Inland in den Fokus zu rücken.

Das demokratische Center for American Progress (CAP) beleuchtet neben den wirtschaftspolitischen und sicherheitspolitischen Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie auch soziale und gesellschaftliche Aspekte, die ebenso dringend adressiert werden sollten. Cristina Novoa und Steven Jessen-Howard nehmen die Kinder von Eltern in systemkritischen Gesundheitsberufen in den Blick. Im Zentrum der Bereitschaft und Effektivität des Gesundheitssystems, schnell und angemessen auf eine Pandemie reagieren zu können, stehe in erster Linie das Personal in den Kliniken, also Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger.

Ein Großteil dieses Gesundheitspersonals – knapp fünf Millionen Mitarbeiter bzw. 29 Prozent des Personals – hat junge Kinder im Alter von unter 14 Jahren, die in der Phase geschlossener Schulen und Betreuungsprogramme nicht unbeaufsichtigt und unbetreut zu Hause bleiben können, berichten die Autoren auf der Basis neuester Datenauswertungen. Sie ziehen aus diesem Umstand die Schlussfolgerung, dass eine intelligente und verlässliche Kinderbetreuung fester Bestandteil von Notfallplänen sein müsse.

79 Prozent der fast fünf Millionen Angestellten in systemkritischen Gesundheitsjobs mit kleinen Kindern sind Frauen, wie die weitere Analyse des CAP ergibt. Dies gefährde den Arbeitseinsatz dieser Mütter und setze das ohnehin angespannte Gesundheitssystem unter zusätzlichen Druck. Hinzu komme das schwerwiegende strukturelle Problem, dass eine Kinderbetreuung für die meisten Mitarbeiter des amerikanischen Gesundheitssektors kaum zu finanzieren sei. Daher fordern die Autoren die Bundesregierung dazu auf, in ihrem Rettungspaket finanzielle Mittel für eine geregelte Kinderbetreuung der Mitarbeiter im Gesundheitswesen zu berücksichtigen.

Quellen und weiterführende Lektüre

Jennifer Calfas, Natalie Andrews, Lindsay Wise: Partisan Clash Delays Rescue Bill. The Wall Street Journal, 23. März 2020.

Jon Cohen: ‘I’m going to keep pushing.’ Anthony Fauci tries to make the White House listen to the facts of Pandemic. Science, 22. März 2020.

Dr. Sabine L. van Elsland, Ryan O’Hare: COVID-19: Imperial Researchers model likely impact of public health measures. Imperial College London, 17. März 2020.

Johns Hopkins University & Medicine: Corona-Virus COVID-19 Global Cases by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University. Coronavirus Resource Center at Johns Hopkins University, abgerufen am 24. März 2020.

Carl Hulse: Push for Cash in Rescue Package Came From Unlikely Source: Conservatives. The New York Times, 21. März 2020.

Annie Karni: In Daily Coronavirus Briefing, Trump Tries to Redefine Himself. The New York Times, 23. März 2020.

National Institute of Allergy and Infectious Diseases: Anthony S. Fauci, M.D., NIAID Director. NIAID, abgerufen am 24. März 2020.

Cristina Novoa, Steven Jessen-Howard: The U.S. Coronavirus Response Must Meet Health Workers’ Child Care Needs. Center for America Progress, 24. März 2020.

David Remnick: How The Coronavirus Shattered Trump’s Serene Confidence. The New Yorker, 22. März 2020.

Nelson D. Schwartz: Coronavirus Recession Looms, Its Course ‘Unrecognizable’. The New York Times, 21. März 2020.

Jay Shambaugh: COVID-19 and the US economy: FAQ on the economic impact & policy response. The Brookings Institution, 23. März 2020.

Robert Spalding: Coronavirus Unmasks America’s Real National Security Vulnerabilities. The Hudson Institute, 17. März 2020.

Erica Werner, Mike DeBonis, Paul Kane, Jeff Stein: Senate, White House reach $2 trillion stimulus deal to blunt coronavirus fallout. The Washington Post, 25. März 2020.

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