Wie können wir die transatlantischen Beziehungen zukunftsfest machen?
Seit dem 1. Juni ist Julia Friedlander Geschäftsführerin der Atlantik-Brücke. Im Interview spricht sie über die derzeit größten Herausforderungen für die transatlantischen Partner und darüber, welchen Beitrag die Atlantik-Brücke leisten kann, um die Bindungen zwischen Europa und den USA jetzt zu stärken.
Frau Friedlander, was ist aus Ihrer Sicht angesichts einer äußerst volatilen Weltlage besonders wichtig im Verhältnis zwischen Europa und den USA? Wo besteht Gesprächsbedarf, wo muss die Zusammenarbeit enger werden, wo zeichnet sich Konfliktpotenzial ab?
Nach dem Schock des 24. Februar hat sich in Europa und den USA nun eine zusätzliche Krise des Selbstbildes eingestellt. In der öffentlichen Debatte gibt es bei schwierigen Entscheidungsprozessen einen Hang zur moralischen schwarz-weiß-Malerei. Das untergräbt die enge Abstimmung zwischen Europa und seinem engsten Partner, und auch die rein technische und logistische Kooperation, die hinter jeder Sanktion und Waffenlieferung steckt. Während wir uns mit Pressemitteilungen und öffentlichen Äußerungen von Politikern befassen, geht es global längst um viel mehr. Indien, Mexiko und die Golfstaaten werden von der Auflösung der globalen Lieferketten und Energiemärkte profitieren wollen – wenn und wo sie es können. Ich fürchte, eine Nabelschau westlicher Politik ist sehr viel leichter zu haben als die Auseinandersetzung mit der Frage, wie unsere Prioritäten bei Drittländern ankommen und wie das transatlantische Bündnis mit großen Machtverschiebungen umgeht. Diese Überlegungen halten mich gerade nachts wach.
In diesem Jahr wird die Atlantik-Brücke 70 Jahre alt. Welche Rolle kann ein traditionsreicher Verein dabei spielen, die transatlantischen Beziehungen zukunftsfest zu machen? Worauf möchten Sie als Geschäftsführerin einen besonderen Schwerpunkt legen, welche neuen Impulse möchten Sie setzen?
Alte Organisationen bleiben zukunftsfähig, wenn ihre Mitglieder Fortschritte wagen und sich den aktuellen Herausforderungen z.B. in der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft stellen. Der gute Ruf und der anhaltende Erfolg unseres Vereins zeigen deutlich, dass wir diesem Prinzip seit 70 Jahren treu geblieben sind. Aber wir können noch mehr. In enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedern möchte ich die folgenden Themen voranbringen: häufige, gezielte Gespräche mit renommierten Gästen und Fachexperten, die über die üblichen Namen hinausgehen; unsere Firmenmitgliedschaften in schnell wachsenden Bereichen ausbauen, beispielsweise in den Medien, im Bereich Finanzen, Künstliche Intelligenz und Energie; die Präsenz und Rolle der Atlantik-Brücke in den USA stärken und das Engagement mit Brüssel und den europäischen Institutionen vertiefen. Diese Ideen beruhen auf meinen ersten Eindrücken. Unser Team ist für jeden Impuls offen.
Sie sind Young Leaders-Alumna der Atlantik-Brücke – 2018 haben Sie an der Konferenz in Neuhardenberg teilgenommen. Was verbinden Sie mit den Young Leaders?
Die Young Leaders sind das beste professionelle Netzwerk, das ich kenne, aber noch ein gut gehütetes Geheimnis. Für vermutlich alle Teilnehmer, mich eingeschlossen, ist die Young Leaders-Konferenz eine der schönsten Wochen im beruflichen Werdegang. Dafür sollten wir das Netzwerk mit einem starken inhaltlichen Programm auch über Berlin und Deutschland hinaus stärker pflegen. Die Führungskraft und Vielfalt der Young Leaders werden Deutschland und die USA eng zusammenhalten, auch wenn politischer Gegenwind kommt.