„Wir haben keinen engeren Verbündeten“
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Bundeskanzler Olaf Scholz
In seinem exklusiven Gastbeitrag für die Atlantik-Brücke betont Bundeskanzler Olaf Scholz, zugleich Kanzlerkandidat der SPD für die Neuwahlen des Bundestages, die Veränderungen der transatlantischen Beziehungen im Laufe der Geschichte. Und dass Deutschland und die USA auch in Zukunft miteinander mehr bewegen als ohne einander.
Von Olaf Scholz, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland
Die deutsch-amerikanische Freundschaft hat Weltgeschichte geschrieben. Während der Blockade West-Berlins durch die Sowjetunion versorgten insbesondere amerikanische Flugzeuge die Berlinerinnen und Berliner aus der Luft. Mitten im Kalten Krieg war es John F. Kennedy, der den Kampf für Freiheit und gegen kommunistische Unterdrückung mit den Worten „Ich bin ein Berliner“ auf den Punkt brachte. 1987 rief Ronald Reagan Michail Gorbatschow zu, die Berliner Mauer endlich niederzureißen.
Dann 9/11 – dieser furchtbare Angriff auf das Herz der Vereinigten Staaten. Erstmals beschließt die NATO den Bündnisfall. In der Folge kämpfen deutsche und amerikanische Soldatinnen und Soldaten über 20 Jahre lang Seite an Seite gegen den islamistischen Terrorismus.
Und schließlich Russlands Angriff auf die Ukraine, die seither heldenhaft um ihre Freiheit und Unabhängigkeit kämpft und deren größte Unterstützer die USA und Deutschland sind. Darauf können wir stolz sein.
Wenn ich heute an diese Schlüsselmomente transatlantischer Partnerschaft erinnere, dann nicht aus nostalgischer Verklärung. Sondern weil sie zwei Dinge zeigen. Erstens: Die transatlantischen Beziehungen haben sich immer wieder verändert – und gerade deshalb im Wandel bewährt. Und, zweitens: Miteinander bewegen wir mehr als ohne einander oder gegeneinander.
Diese beiden Erkenntnisse behalten ihre Gültigkeit, auch angesichts der veränderten Realitäten unserer Zeit. Der Aufstieg anderer Weltregionen, insbesondere des Indo-Pazifiks, ist eine solche Realität, die sowohl für Nordamerika als auch für Europa Risiken und Chancen birgt. Gehen wir hier gemeinsam voran.
Unser Ziel ist es, den europäischen Pfeiler der NATO substantiell zu stärken.
Eine weitere Realität ist, dass Europa mehr für seine Verteidigung tun muss. Deshalb haben wir in Deutschland – in Reaktion auf die „Zeitenwende“, Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine – mit einer umfassenden Stärkung unserer Bundeswehr begonnen. Unser Ziel ist es, den europäischen Pfeiler der NATO substantiell zu stärken.
Aber auch in der Handelspolitik lassen sich bei gutem Willen Wege finden, wie wir unterschiedliche Interessen in Ausgleich bringen können. Die Europäische Union wird am Prinzip des freien und fairen Handels festhalten, denn wir verdanken ihm unseren Wohlstand – übrigens auf beiden Seiten des Atlantiks.
Darauf sollten wir als überzeugte Transatlantiker unser Augenmerk richten. In dem sicheren Wissen, dass Europa und Nordamerika auch im 21. Jahrhundert keine engeren Verbündeten haben als einander.
Die Atlantik-Brücke hat vor der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 die Kanzlerkandidaten von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen gebeten, ihre transatlantische Agenda in einem Gastbeitrag aufzuschreiben. Die Texte sind bereits vor dem Wochenende der Münchner Sicherheitskonferenz und den Äußerungen von US-Vizepräsident J.D. Vance entstanden.
Den Gastbeitrag des Kanzlerkandidaten der Union, Friedrich Merz, lesen Sie hier.
Den Gastbeitrag des Kanzlerkandidaten von Bündnis 90/Die Grünen, Robert Habeck, lesen Sie hier.