Europa-Wahlen

„Zwangsläufig muss eine Beziehung zu Trumps Regierung aufgebaut werden“

Sergey Lagodinsky/ Tom Athenstaedt

Dr. Sergey Lagodinsky, Mitglied des Europäischen Parlaments (Bündnis 90/Die Grünen), betont, dass wir bei allen globalen Herausforderungen der nächsten Jahre auf eine starke Partnerschaft zwischen den USA und der EU angewiesen sind. Im Kurzinterview nach den Europawahlen spricht er über die ideologische Offenheit gegenüber Trump in Europa und darüber wie sich die transatlantischen Beziehungen verändern müssen.

Herr Lagodinsky, wie groß ist die Gefahr, dass sich nach der Europa-Wahl ein rechtspopulistischer transatlantischer Block zwischen der AfD, weiteren europäischen Parteien aus dem rechtsextremen Lager und dem Trumpismus in den USA manifestiert?

Ich glaube nicht, dass diese Wahl dazu ausschlaggebend sein wird. Viel relevanter sind die Veränderungen in den Regierungen der einzelnen Länder. Wie wird sich etwa die neue niederländische Koalition, die Regierung in Kroatien oder etwa Orban positionieren? Schon jetzt mimt Orban einen europäischen Trump, indem er “Make Europe great again” als Slogan für die Ratspräsidentschaft aufruft. Die ideologische Offenheit gegenüber und möglicherweise Verbrüderung mit Trump und seiner Bewegung wird also nationalstaatlich bilateral aufgebaut, nicht über die neue Zusammensetzung des Europäischen Parlaments. Die Mehrheit im Parlament wird voraussichtlich eine vorsichtige Position auch gegenüber einem möglichen US-Präsidenten Trump beibehalten. Jedenfalls solange Trump nicht im Weißen Haus sitzt. Andernfalls muss fast zwangsläufig eine Beziehung zu Trumps Regierung aufgebaut werden. Ob man es will oder nicht.

Welche generellen Konsequenzen dürften die Wahlen zum Europäischen Parlament aller Voraussicht nach für die transatlantischen Beziehungen haben?

Auch im neuen Europäischen Parlament sitzen mehrheitlich freiheitliche, demokratische Abgeordnete, die ein Interesse daran haben, die EU-US-Beziehungen zu pflegen. Auch bei Delegationsvorsitzen sollten vernünftige Stimmen Mehrheiten finden. Die Frage wird sich aber gelegentlich an den Fragen des Handels, der (ggf. WTO-widrigen) Subventionen oder anderen Marktasymmetrien entzünden. Dies aber unabhängig von der Zusammensetzung des Parlaments.

In welchem politischen Themenfeld der Europäischen Union erwarten Sie die größten Auswirkungen von den Wahlen in Europa für das Verhältnis der EU zu den Vereinigten Staaten? Was werden die wichtigsten Themen der nächsten fünf Jahre sein?

Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in den USA wird die EU-US-Beziehungen vermutlich mehr beeinflussen als die Europawahl. Je nach Ausgang wird sich das transatlantische Verhältnis in den nächsten Jahren neu erfinden müssen. Wir stehen vor globalen Herausforderungen bei Klimaschutz, bei der internationalen Sicherheit und geopolitischen Entwicklungen und bei der gesetzgeberischen Begleitung neuer technologischen Entwicklungen. Die größere Bereitschaft in Sicherheitskapazitäten zu investieren wird beide Seiten einander näher bringen und Kritik aus Washington an mangelnden Investitionen abmildern. Die Zusammenarbeit im Bereich der digitalen Innovation und Märkte inklusive Künstliche Intelligenz und ihr Einsatz werden neue Räume für intensive Zusammenarbeit öffnen. Es ist klar, dass wir bei allen globalen Herausforderungen der nächsten Jahre auf eine starke Partnerschaft zwischen den USA und der EU angewiesen sind.

 

 

 

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